Die Probe (German Edition)
Michael seine Unterschrift unter den Kreditvertrag im letzten Moment verweigern könnte. Sie musste ihn überzeugen, dass dies ein seriöses Unternehmen war.
»Sie kommen«, sagte Daisy, die am Fenster stand und den Eingang überwachte. »Ein Jaguar mit Michael und seiner – wow! Was für ein Weib.«
»Vergiss es, sie ist eine Hetero«, lachte Renate. Kurz danach stiegen Lauren und Charlie aus einem Taxi. Bei der Begrüßung fiel ihr auf, dass Michael irgendwie abwesend wirkte, angespannt, beinahe gehetzt. Seine Freundin schien das wenig zu kümmern. Sie interessierte sich offenbar vor allem für Lauren, doch die vermied ebenso offensichtlich jeden Augenkontakt mit ihr. Nach einiger Zeit lenkte Francesca ihre Aufmerksamkeit ganz auf die Gastgeberin. Renate hatte einen Augenblick Mühe, sich auf ihre Präsentation zu konzentrieren. Flirtete sie mit ihr? Ärgerlich verdrängte sie den beunruhigenden Gedanken und begann, die Ergebnisse der Konkurrenzanalyse zu erläutern. Michael schaute nicht auf die Grafik an der Wand, er war mit seinem Blackberry beschäftigt, der fast pausenlos aufleuchtete und wohl wichtige Börsennachrichten anzeigte. Wenigstens hatte er das Gerät stumm geschaltet. Sie irrte sich allerdings, wenn sie glaubte, er hörte ihr nicht zu. Seine überraschenden Zwischenfragen bewiesen, dass er die Kernaussagen ihrer Präsentation sehr wohl verstanden hatte und kritisch beurteilte. Er war ein Meister des Multitasking, eine Art Fluglotse der Finanzwelt.
Ihr Schützling hatte Verkaufstalent, musste Lauren sich neidlos eingestehen. Renate entwickelte sich schnell zur gewieften Geschäftsfrau, wenn sie so weitermachte. Ihre Begeisterung wirkte auch auf sie selbst immer noch ansteckend, obwohl sie alle Details längst kannte. Zumindest theoretisch, denn auch sie hatte dieses Gebäude heute zum ersten Mal betreten. Es war eine Freude, sich von ihr durch die zukünftigen Büros, Labors und Fabrikationshallen der neuen Firma führen zu lassen.
»Plant ihr hier auch deine Entdeckung zu Geld zu machen?«, fragte Michael neben ihr, als sie den leeren Raum verließen, der für die Hochvakuumtanks und Ultrazentrifugen vorgesehen war. Sie stutzte, blickte ihn verwirrt an, bis sie begriff, wovon er sprach.
»Ach, die geheimnisvolle Probe meinst du?«
»Genau die, und ich wüsste zu gerne, warum niemand etwas darüber erfahren soll.«
»Gute Idee, diese Einrichtungen eignen sich bestens für die Produktion«, sinnierte sie, ohne auf seine Frage zu antworten. »Der Umsatz könnte sich leicht verzehnfachen, wenn wir damit loslegen. Nicht zu reden von der schwindelerregenden Gewinnmarge.« Er schüttelte den Kopf und grinste:
»Du nimmst mich auf den Arm, wie?« Sie blieb ernst, sagte kühl:
»Nein. Du wirst noch bereuen, uns nur einen Kredit gegeben zu haben, statt Aktien zu kaufen.« Er reagierte nicht, sein Blick klebte schon wieder am Blackberry. Umso aufmerksamer war Francesca, die mitgehört hatte. Lauren spürte, dass ihr Fragen auf der Zunge brannten, doch sie beachtete sie nicht weiter. Kurz darauf hatte Francesca Renate in ein Gespräch verwickelt, doch außer freundlichem Achselzucken schien sie keine Antworten zu erhalten.
Die Besichtigung war zu Ende, Michaels entscheidende Unterschrift hatten sie in der Tasche. Sie konnten durchstarten. Überglücklich drehte Renate den Kork aus der Sektflasche, die sie in einer Kühlbox kaltgestellt hatte und goss jedem einen Plastikbecher voll ein. Nur Francesca wehrte ab. Sie fühlte sich plötzlich unwohl und drängte Michael zur Abreise. Die Unpässlichkeit schien eher Ärger zu sein, denn kaum hatte Renate die beiden an der Tür verabschiedet, begannen sie sich lautstark zu streiten. Wörter wie Heimlichtuerei , verpasste Gelegenheit hörte sie heraus, dann verlor sie das Interesse und kehrte kopfschüttelnd zu den fröhlicheren Gästen zurück.
»Ich habe im Stachel reserviert«, sagte sie. »Ihr werdet mich doch nicht hängen lassen? Das Essen dort ist gut, und es ist ein romantischer Ort für eine kleine Feier.«
»Gegen ein kühles Bier und eine Weißwurst hätte ich nichts einzuwenden«, antwortete Charlie erleichtert, als hätte er schon längst auf einen solchen Vorschlag gewartet. Lauren rümpfte die Nase.
»Banause«, spottete sie.
»Habe ich etwas Falsches gesagt?«, fragte er beleidigt. Renate lachte.
»Lauren meint wohl, dass wir uns in Franken befinden«, erklärte sie, »und die Einheimischen halten nicht viel von den bayrischen
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