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Die Probe (German Edition)

Die Probe (German Edition)

Titel: Die Probe (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. J. Anderegg
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verstand Charlie ein paar Wörter: »Ölpest – verhindern – tut mir leid.« Seine Frau verstand. Sie zeigte auf das Tischchen in der Sitzecke. Dort lag eine zusammengefaltete Zeitung.
    »Die Winde haben gegen die Küste gedreht. Ein riesiger Ölteppich treibt auf die Stadt zu«, sagte sie. »Da steht’s drin.« Er ging zum Tisch, blätterte in der Zeitung, legte sie aber schnell wieder weg.
    »Aftenbladet. Ich verstehe leider kein Norwegisch«, murmelte er enttäuscht.
    »Soviel ich mitbekommen habe, ist die Ölpest wegen hoher Wellen kaum zu kontrollieren«, bemerkte Kjerstin. »Sie haben vor allem Angst um die neuen Kabeljau-Farmen an der Westküste, und nebenbei um tausende von Wasservögeln.« Jetzt verstand er Thorsen. Er machte sich Vorwürfe, diese Katastrophe nicht verhindert zu haben. Aber hätte er die Bohrungen rechtzeitig stoppen können? Mit Sicherheit nicht. Zu dürftig waren die Hinweise auf einen solchen Blowout, und zu groß die wirtschaftlichen Interessen der Fördergesellschaft. Nein, es gab keinen Grund für Thorsen, sich etwas vorzuwerfen. Jetzt konnte man nur noch versuchen, die Verschmutzung in den Griff zu kriegen, und er wollte sich dafür einsetzen mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen. Als er überlegte, was er unternehmen sollte, kam ihm ein reichlich verwegener Gedanke. Ein Strohhalm, mehr nicht, aber je länger er darüber nachdachte, desto klarer erkannte er, dass sie es versuchen mussten. Er wandte sich an Thorsen, der die Augen wieder geschlossen hatte und sagte mit Zuversicht in der Stimme:
    »Mach dir keine Sorgen, du konntest das nicht vorhersehen. Ich werde mithelfen, die Ölpest einzudämmen, und ich glaube, wir haben gute Karten.« Vom Bett kam keine Antwort, aber die Töne des Herzfrequenzmonitors änderten sich, sie wurden rasch schwächer, die Intervalle länger. Es hörte sich an, als wollte sein Herz sich schlafen legen. Kjerstin eilte entsetzt ans Bett, redete verzweifelt auf ihren Mann ein, aber er reagierte nicht. Die Töne wurden noch schwächer, der Puls langsamer, drohte stillzustehen. In Todesangst schrie sie Charlie unverständliche Ausdrücke ins Gesicht. Er suchte noch den Alarmknopf, als die Tür mit einem Knall aufsprang und Arzt und Krankenschwester hereinstürmten. Das regelmäßige Piepsen war verstummt. An seiner Stelle war nur noch der durchdringende, gleichbleibende Ton zu hören, der unverkennbar anzeigte, dass Thorsens Herz aufgehört hatte zu schlagen.
    Alle Wiederbelebungsversuche halfen nicht, ein paar Minuten später musste der Arzt erschöpft aufgeben. Die Schwester schaltete den nervenaufreibenden Ton ab. Es wurde totenstill im Zimmer. Kjerstin stand hilflos und stumm neben dem Bett, fassungslos, zu geschockt, um zu weinen. Der Anblick schnürte Charlie die Kehle zu. Erst als sich ein Schatten in der grell erleuchteten Türöffnung regte, löste sich Kjerstins Starre. Der kleine Erik stand mit hängenden Armen in der Tür und stammelte leise: »Pappa – pappa?«
Würzburg
    Der Duft frisch gewaschener Blätter und feuchten Grases strömte durch die Kippfenster in den Bus. Daisy sog die angenehm kühle Luft begierig ein, denn am Nachmittag war es recht stickig geworden in der Stadt, bevor der kurze Regenschauer Erleichterung brachte. Sie stellte sich vor, wie sich die Tische des Biergartens unter den alten Bäumen wieder mit durstigen Gästen füllten, die sich von einem anstrengenden Tag im Büro oder einem ebenso ermüdenden Besuch der Residenz erholen wollten. Sie roch förmlich, wie sich der Duft frisch gebackener Bretzeln mit dem Dunst des Sommerregens mischte und wäre ohne Zögern ausgestiegen, hätte der Sechser hier gehalten. Sie liebte diese Fahrt an der grünen Lunge Würzburgs vorbei ins Frauenland. Noch immer löste der Name des Stadtviertels, in dem sie nun wohnten, Heiterkeit aus, wie damals, als Renate ihn das erste Mal erwähnt und übersetzt hatte. Frauenland, eine passendere Gegend hätten sie kaum finden können für ihren Weiberhaushalt. Dank Renates guter Verbindungen zur Universität und zum lokalen Baugewerbe hatten sie die geräumige Dachwohnung mit schöner Sicht über die Stadt und auf die Festung Marienberg in der Nähe des Frauenlandplatzes gefunden. Sie gehörte zu einem herrschaftlichen Haus an einem kleinen Park in einer ruhigen Sackgasse.
    Daisy schaute auf die Uhr, als sie das schwere Eisengitter zum Vorgarten aufstieß. Viertel vor sieben, sie war noch etwas zu früh, also ließ sie den Briefkasten

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