Die Probe (German Edition)
Wohnungstür aufschloss. Sie lief Renate entgegen und platze mit der Neuigkeit heraus, bevor ihre Freundin die Tasche abgestellt hatte.
»Ihr seid völlig verrückt geworden«, war Renates erste Reaktion auf Charlies Vorschlag. »Die Produktion ist noch nicht ...«
»Noch nicht soweit, ich weiß, aber ich habe die Behälter des Testbetriebs gesehen. Lass es uns wenigstens mit dem versuchen, was wir sofort zur Verfügung haben!« Renate schaute sie missbilligend an.
»Das sind höchstens zwanzig, dreißig Kanister, und das Ding hat noch nicht einmal einen Namen«, antwortete sie vorwurfsvoll. Aber Daisy gab nicht so leicht auf.
»Zwanzig Kanister, das entspricht einer Fläche von zwanzig Fußballfeldern, wie du selbst behauptet hast. Das ist doch ein guter Anfang. Wir können die Fischzucht retten und sind in allen Schlagzeilen. Wir müssen die Gelegenheit beim Schopf packen.«
»Müssen müssen wir gar nichts«, brummte Renate, doch ihr Widerstand schien zu bröckeln. Daisy stellte sich mit Büßermiene vor ihre Freundin, ergriff ihre Hand, spitzte die Lippen zu einem Schmollmund und flehte:
»Bitte!« Renate lächelte und küsste den verführerischen Mund.
»Wenn man mich so nett bittet ...«, murmelte sie. Dann wurde sie ernst. »Das heißt, dass eine ganze Menge Arbeit auf uns wartet. Wir müssen eine informelle Offerte erstellen, die wenigstens unsere Kosten deckt, Charlie muss entsprechende Bewilligungen einholen, wir müssen die Ware nochmals in aller Eile prüfen, versandfertig verpacken, den Transport organisieren. Und meinen Flug.« Die letzte Bemerkung überraschte Daisy.
»Deinen Flug?«
»Klar, glaubst du, ich will nicht dabei sein beim ersten Einsatz unseres Babys?« Sie musste ihr wohl oder übel recht geben. Ohne Renate machte der Einsatz in der Tat wenig Sinn. Der entspannte Feierabend war längst vergessen, ihr Gehirn schaltete wieder schnell und präzise, wie stets unter Stress.
»Du kümmerst dich um die Bereitstellung der Ware. Offerte und Organisation sind meine Sache, O. K.?«
»Ich hätte es nicht besser formulieren können«, antwortete Renate spöttisch und hängte sich ans Telefon, um ihre Leute zu einer Spätschicht aufzubieten. In dieser Nacht war kaum an Schlaf zu denken, aber ähnlich erging es wohl vielen Küstenbewohnern vor Stavanger, denn der gigantische Ölteppich trieb unaufhaltsam auf sie zu.
Surrey, England
Francesca schaltete die Düsen des Whirlpools aus, lehnte sich an den Rand der schwarzen Marmorwanne und genoss die plötzliche Stille. Von hier aus konnte man, ohne die wohlige Wärme des Wassers zu verlassen, den ganzen Park von Halliford Castle überblicken. Hier fühlte sie sich als Schlossherrin, Herrin über Besitztümer und Bedienstete in einer Welt, die sie bis vor wenigen Tagen nur aus Romanen und Filmen gekannt hatte. Ihre Welt, wenn sie die Zeichen richtig deutete. Louis schien keinerlei Groll gegen sie zu hegen. Er machte einzig und allein Michael mit seinem Hedgefonds für das Debakel mit seiner Investition verantwortlich und seine Leute glaubten, die Sache im Griff zu haben. Selbstredend vermied sie jede Anspielung auf das heikle Thema, bemühte sich im Gegenteil, ihn mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln für sich einzunehmen, eine möglichst angenehme Zeit mit ihm zu verbringen, ihn die Sorgen vergessen zu lassen. Sie lächelte zufrieden, als sie daran dachte, wie gut ihr das in den paar Tagen gelungen war. Sie glaubte, ihn schon ganz gut zu kennen, und was sie bisher erfahren hatte, gefiel ihr. Mit Ausnahme seiner Geheimniskrämerei um den Ostflügel des Schlosses vielleicht, aber darüber machte sie sich keine Sorgen. Als er sie durch das Anwesen geführt hatte, war er sehr schnell und wortlos an der verschlossenen Tür im ersten Stock vorbeigegangen. Ihre spöttische Frage, was er hinter der Tür verberge, hatte er schroff mit: »Nichts Besonderes«, beantwortet. Die Hausdame war zwar gesprächiger, wusste jedoch nur, dass die Tür stets verschlossen blieb. Nur der Hausherr schien einen Schlüssel zu haben. Hin und wieder schloss er sich mit ein paar Fremden für zwei, drei Stunden in den Ostflügel ein, doch niemand schien zu wissen, was dort geschah. Rätselhaft, sicher, aber nicht weiter beunruhigend, diskrete Geschäfte eben.
Das andere große Geheimnis seines Wesens allerdings hatte sie schnell geknackt. Der mächtige Oligarch Louis Vidal war schüchtern und verklemmt, wenn es um intimen Kontakt zum anderen Geschlecht ging. Er
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