Die Probe (German Edition)
ist ja alles klar.« Er schien sich seiner Sache sicher zu sein. Sie sagte nichts, blickte ihn nachdenklich an und ließ ihn ein wenig zappeln. »Nicht überzeugt?«, fragte er irritiert.
»Ich werde mit dir zurückfliegen«, antwortete sie mit sibyllinischem Lächeln. Sollte er ruhig ein bisschen länger zittern. Sie hatte den fetten Fisch jedenfalls am Haken. Sie hatte es geschafft, fühlte sich stark wie nie zuvor. Francesca Bassi, Mätresse des Sonnenkönigs.
Stavanger
Der Seegang war noch nicht wesentlich abgeflaut seit der Katastrophe. Die ›KV Nornen‹, eines der neueren Patrouillenboote der norwegischen Küstenwache, pflügte mit stampfenden Motoren durch die hohen Wellen vor der Bucht der bedrohten Kabeljau-Farm. Weiter südlich, auf der Höhe des Flughafens Sola, hatte die Ölpest die Küste bereits erreicht und weite Teile der Strände verschmutzt. Dort hatten die Behörden den Kampf aufgegeben. Nur ein paar unentwegte Naturfreunde kümmerten sich noch um die Masse geteerter Vögel, die ohne ihre Hilfe elend verhungern müssten. Auf einem höchst ungemütlichen Inspektionsflug hatte Charlie sich ein Bild der Lage gemacht, bevor er mit den einundzwanzig Kanistern ›Omega 33‹ an Bord der Nornen in See stach. Von oben hatte er den Eindruck, als streckte ein Ungeheuer seine monströse, schwarze Zunge nach der Halbinsel aus, auf der die Stadt lag. Nach der Explosion der Bohrinsel schien sich hier eine zweite, scheinbar unaufhaltsame Katastrophe anzubahnen. Er war heilfroh, dass Renate an Land in Sicherheit geblieben war. Seine drastische Schilderung der Verhältnisse auf See und das raue Wetter hatten sie nach einer hitzigen Diskussion schließlich überzeugt, den letzten Akt ihm und den Männern der Küstenwache zu überlassen. Daisy hätte ihm niemals verziehen, wenn er zugelassen hätte, dass sich ihre Freundin solchen Gefahren aussetzte. Unter einer Bedingung hatte sie zugestimmt, an Land zu bleiben: sie wollte die ganze Aktion in der Einsatzzentrale verfolgen, in ständigem Funkkontakt mit ihm und der Crew.
»Wir sind da«, sagte er ins Mikrophon seines Schutzhelms. »Noch hundert Meter bis zum Rand des Ölteppichs. Wir lassen den Schlauch zu Wasser.«
»Warte mit dem Einleiten, bis ihr direkt über der Grenze seid«, antwortete sie. Er konnte ihre Nervosität durch das Funkrauschen hören. Er gab dem Steuermann das Zeichen, beizudrehen und öffnete das untere Ventil des ersten Kanisters.
»Der Schlauch hängt exakt über dem Grenzbereich. Ich öffne jetzt das obere Ventil.«
»Aber langsam, wie besprochen!«, rief sie aufgeregt. »Öffne nur ein Viertel und führe den Schlauch ...«
»Ich weiß«, unterbrach er ungeduldig. Sie hatten diese Aktion schon zehnmal trocken geübt. »Die Suppe läuft.« Ein feiner, leuchtend orange-roter Strahl der Emulsion, die das Wundermaterial Omega 33 enthielt, ergoss sich auf die ölverschmierten Wellen. Die Nerven bis zum Zerreißen gespannt, schwenkte er den Schlauch langsam und möglichst gleichmäßig über das verschmutzte Wasser, beobachtet von den skeptischen Blicken der Mannschaft.
»Nun, was ist? Sprich mit mir!«, drängte Renate in seinem Kopfhörer. Er schraubte das Ventil wieder zu und wartete auf eine Reaktion, doch es bildeten sich nur ein paar wenige orange Schauminseln, die bald zwischen den Wogen verschwanden. Enttäuscht brummte er:
»Nichts, die Emulsion verpufft wirkungslos.«
»Das kann nicht sein. Versuch’s mit einer höheren Dosis!« Ihre Stimme klang immer noch selbstsicher. Er drehte wieder auf, bis sich ein dicker Strahl ins Meer ergoss. Einen Augenblick lang glaubte er, die erhoffte Reaktion zu beobachten, aber er hatte sich getäuscht. Wieder bildeten sich lediglich orange Schauminseln, die bald wieder verschwanden. »Verdammter Mist«, knurrte er zwischen den Zähnen. Die Aktion entwickelte sich allmählich zu einer Lachnummer. Die ersten Beobachter aus der Mannschaft hatten die Reling bereits achselzuckend verlassen, um sich wieder den konventionellen Methoden der Ölwehr zuzuwenden. Sie glaubten ohnehin nicht an sein Wundermittel. Niedergeschlagen schloss er das Ventil und sprach ins Mikrofon:
»Negativ. Keine Reaktion, wie zuvor.« Niemand antwortete. »Renate? Bist du noch da?« Es blieb still im Kopfhörer. Nur das übliche weiße Rauschen war zu vernehmen.
Renate hatte seinen nur schlecht unterdrückten Fluch gehört und sofort geahnt, dass auch der zweite Versuch fehlgeschlagen war. Es musste funktionieren, davon war
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