Die programmierten Musen
zischender Stimme sagte er jedoch nur: »Nein. Ich sehe mich nur mal um. Da das Haus offen und leer war, habe ich natürlich angenommen, es gehört zu den völlig ausgeschlachteten Gebäuden, die zum Verkauf stehen.«
»Haben Sie die Elektriker nicht gesehen, die draußen arbeiten?« wollte Cullingham wissen.
Der graue Mann sagte: »Da arbeiten keine Elektriker draußen. Nun, meine Herren, ich muß weiter. Spätestens übermorgen haben Sie mein Angebot auf dem Tisch.«
»Hier wird nichts verkauft«, informierte ihn Flaxman.
Der graue Mann lächelte. »Trotzdem werde ich Ihnen mein Angebot zustellen«, sagte er. »Ich bin ein sehr hartnäckiger Mann, und ich fürchte, Sie müssen sich mit meiner kleinen Eigenart abfinden.«
»Wer sind Sie überhaupt?« fragte Flaxman.
Der graue Mann lächelte zum drittenmal, zog leise die Tür hinter sich zu und sagte: »Meine Freunde nennen mich manchmal die Garotte – vielleicht wegen meiner stählernen Hartnäckigkeit.«
»Seltsam«, sagte Cullingham, als sich die Tür wieder geschlossen hatte. »Auch dieser Mann erinnert mich an jemanden. Aber an wen? Ein Gesicht wie ein sizilianischer Christus – rätselhaft.«
»Was ist denn eine Garotte?« fragte Flaxman.
»Ein enges Stahlband«, erwiderte Cullingham nüchtern, »das einem um den Hals gelegt wird. Darin ist eine Schraube, mit der man dem Opfer den Hals brechen kann. Eine Erfindung der fröhlichen alten Spanier. Im übertragenen Sinne kann Garotte auch einfach Schlinge bedeuten.«
Bei diesem Wort hob er die Augenbrauen. Die beiden Partner sahen sich an.
25
Robert Schumanns Lied »I Will Not Grieve« ist von schrecklicher, herrlicher Einsamkeit durchdrungen, mit teutonischen Anklängen an verlorene Liebe, Juwelenpracht und Herzeleid in ewiger Düsternis, aber es wirkt noch wesentlich eindrucksvoller, wenn es in seltsam harmonischer Dissonanz von einem Chor aus siebenundzwanzig eingeschlossenen Gehirnen gesungen wird.
Als das letzte hingehauchte »nicht« zitternd verklang, applaudierte Gaspard de la Nuit leise. Er hatte sich das Haar ganz kurz schneiden lassen, und seine Prellungen im Gesicht waren grünlich-violett angelaufen. Er holte eine Packung Zigaretten aus der Tasche und zündete sich eine an.
Schwester Bishop hastete in der Kinderstation herum und stöpselte mit affenartigem Tempo Lautsprecherverbindungen aus; sie war jedoch nicht schnell genug, um einem Durcheinander aus Pfiffen, Spottrufen und Buuhs der eingeschlossenen Gehirne zu entgehen.
Als sie zu ihm zurückkehrte und dabei ein kaum verlegtes Löckchen wieder an Ort und Stelle rückte, sagte Gaspard: »Fast wie ein richtiger Schlafsaal.«
»Machen Sie die Zigarette aus, Sie können hier nicht rauchen. Ja, Sie haben wirklich recht mit den Bälgern. Marotten und Fimmel – neuerdings für byzantinische Geschichte und Coloursprache mit erleuchteten Spektrumsprechern. Streitereien, Anfeindungen – manchmal wollen zwei nicht miteinander verstöpselt werden und bleiben wochenlang stur. Kritik, Beschwerden und Eifersüchteleien – angeblich spreche ich mit Küken mehr als mit allen anderen, er ist mein Liebling; ich vergesse Greenys Schau-schau und kriege das Auge von Big nie richtig in Stellung. Vielleicht geht es auch darum, daß ich mich nicht richtig um Kratzer gekümmert und ihm sein audiovisuelles Bad zwei Minuten und siebzehn Sekunden zu spät gegeben habe – wobei es sich um eine Berieselung mit Farbe und Geräuschen handelt, die angeblich die Sinne der Gehirne aufmuntert. Zum Glück können wir das nicht hören oder sehen. Küken sagt, es ist wie ein Niagara-Fall aus Sonnen.
Stimmungen kommen auf – lieber Herrgott, manchmal sagt einer der Burschen einen Monat lang kein Wort, und ich muß ihn locken oder so tun, als wäre es mir egal – was mir schwerer fällt, aber auf lange Sicht wirksamer ist. Und dann das allgemeine Nachäffen – wenn sich einer etwas neues Dummes ausgedacht hat, machen’s die anderen im Handumdrehen nach. Es ist, als hätte man eine Familie aus mangoloiden Genies. Miß Jackson, die etwas für Geschichte übrig hat, nennt sie die Dreißig Tyrannen – in Erinnerung an ein paar Kollaborateure, die einmal Athen beherrschten. Wirklich, sie sind eine schreckliche Plage. Manchmal habe ich das Gefühl, überhaupt nichts anderes zu tun als Fontanellen auszuwechseln.«
»Wie Windeln«, sagte Gaspard.
»Sie halten das wohl für witzig«, sagte Schwester Bishop, »aber an den Tagen, da der Haß besonders
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