Die Propeller-Insel
Stühle an; dann erst setzt er sich selbst vor den Kamin, dessen Marmor eine herrliche Büste der Königin aus deren Jugendzeit, ein Werk Franquetti’s, trägt.
Um zur Sache zu kommen, braucht Frascolin nur an den letzten Satz, den der König aussprach, anzuknüpfen:
»Eure Majestät haben Recht, sagt er, und rechtfertigt sich dieses Bedauern wohl vor allem durch die Art der Musik, die wir vertreten. Die Kammermusik, die Quartetts der berühmten Meister, eignen sich im Grunde nicht für eine zu große Zuhörerschaft. Sie brauchen etwas wie die ruhige Andacht eines Heiligthums…
– Gewiß, meine Herren, fällt hier der König ein, gerade dieser Musik muß man lauschen können, wie den Sphärenklängen himmlischer Harmonie, und deshalb verlangt sie einen geheiligten Ort…
– Möchten der König und die Königin uns doch gestatten, sagt Yvernes, diesen Salon für eine Stunde in ein solches Heiligthum zu verwandeln, und uns vor Ihren Majestäten ganz allein hören zu lassen…«
Yvernes hat seine Worte noch nicht vollendet, da belebt sich die Physiognomie der beiden Souveräne.
»Meine Herren, Sie wollten… Sie wären auf den Gedanken gekommen…
– Das war der Zweck unsers Besuchs…
– Ach, sagte der König, ihnen die Hand bietend, daran erkenne ich französische Musiker, bei denen Talent und Herz sich gleichen! Ich danke Ihnen, meine Herren, im Namen der Königin und in dem meinen. Nichts… wirklich nichts könnte uns eine größre Freude bereiten!«
Und während der Kammerdiener Auftrag erhielt, die Instrumente zu holen und den Salon für dieses improvisierte Concert herzurichten, laden der König und die Königin ihre Gäste ein, ihnen in den Garten zu folgen. Hier plaudern alle und sprechen über Musik, als wären sie die vertrautesten Kunstgenossen.
Der König überläßt sich seinem Enthusiasmus für diese Kunst wie ein Mann, der allen Reiz derselben warm empfindet und alle Schönheiten derselben kennt. Er zeigt zum Erstaunen seiner Zuhörer, wie bekannt er mit den Meistern ist, die er nach einigen Minuten hören soll… er preist das naïve und angeborne Genie Haydn’s, erinnert daran, was ein Kritiker über Mendelssohn gesagt hat, über diesen Fürsten der Kammermusik, der seine Gedanken in die Sprache Beethoven’s übersetzt… er rühmt Weber’s unübertroffene Feinfühligkeit und chevaleresken Geist, der ihm als Meister einen ganz eignen Standpunkt anweise… spricht von Beethoven als dem allerersten in der Instrumentalmusik, in dessen Symphonien sich eine ganze Seele offenbart. Die Werke seines Genius geben an Größe und Werth den Meisterwerken der Dichtkunst und Malerei, der Sculptur und der Architektur nicht das geringste nach… er, ein leuchtender Stern, der in seiner neunten Symphonie noch strahlend erlöscht, wo der Klang der Instrumente sich so ergreifend mit der menschlichen Stimme mischt!
»Und doch hätte er nie nach dem Takte tanzen können!«
Man erkennt leicht, daß es Pinchinat ist, der diese unangebrachte Bemerkung fallen läßt.
»Jawohl, antwortet der König lächelnd, doch das beweist nur, meine Herren, daß das Ohr für den Musiker kein unentbehrliches Organ ist. Er hört mit dem Herzen, mit diesem allein! Hat das nicht Beethoven gerade in der unvergleichlichen Symphonie bewiesen, die ich eben erwähnte, und die er schuf, als ihn die Taubheit irgend einen Ton zu hören hinderte?« Im weiteren Gespräch verbreitet die Majestät sich mit hinreißender Beredtsamkeit über Mozart.
»O, meine Herren, sagt er, lassen Sie mein Entzücken ruhig überschäumen! Es ist so lange her, daß sich meine Seele einmal so entlasten konnte. Sie sind ja, so lange ich auf Standard-Island lebe, die einzigen Künstler, die mich verstehen. Mozart! Mozart! Einer der größten dramatischen Tondichter, meiner Ansicht nach der erste des neunzehnten Jahrhunderts, hat ihm ja unsterbliches Lob gezollt. Ich habe alles gelesen und werde es niemals vergessen! Er hat ausgesprochen, wie Mozart dadurch, daß er jedem Worte den richtigen Ton zu geben versteht, alle zu bezaubern weiß, ohne daß dabei die musikalische Phrase auch nur im geringsten leidet… er hat gesagt, daß die pathetische Wahrheit sich bei ihm mit der plastischen Schönheit vermählt.
Sie schritten mit ihren Instrumenten der einfachen Wohnung des Königs zu. (S. 244.)
Ist Mozart nicht der Einzige, der mit niemals irrender Sicherheit die musikalische Form für alle Empfindungen, für alle Abstufungen der Leidenschaft
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