Die Propeller-Insel
achtzehnhundert Meter, der Nirhau, der eben etwas rauchigen Dampf ausstößt. Das Ufer an seinem Fuße besteht aus Korallengebilden mit einer Dünenkette dahinter. Von jenen tönt das Echo fast mit metallischem Klange zurück, wenn der Wogenschwall der Brandung daran schlägt.
Bei Einbruch der Nacht befindet sich die Schraubeninsel noch immer in dem engen Canale, hat aber unter der kundigen Führung des Commodore Simcoë nichts zu fürchten. Zur Stunde, wo die Sonne hinter den Höhen von Lanaï unterging, hätten die Wachen die Ketsch nicht sehen können, die gleich nach der Abfahrt Standard-Islands den Hafen verlassen hatte und sich immer in dessen Nähe zu halten suchte. Doch es kümmerte sich, wie gesagt, so wie so niemand um das unscheinbare malayische Fahrzeug.
Bei Tagesanbruch erschien die Ketsch nur noch wie ein weißer Punkt am Horizonte.
Im Laufe dieses Tages steuert man zwischen Kaluhani und Mauï weiter. Die letztere, mit Lahaïna als Hauptstadt und einem von Walfischfängern vielbesuchten Hafen, ist ihrem Umfange nach die zweite des Archipels. Fast dreitausend Meter hoch steigt darauf der Haleahala, das Haus der Sonne, in die Lüste empor.
Die beiden nächsten Tage fährt man längs der Kästen der großen Insel Hawaï hin, deren Berge, wie erwähnt, die höchsten der ganzen Inselgruppe sind. In der Bucht von Kealakeacua war es, wo der Kapitän Cook, den die Eingebornen erst wie einen Gott empfangen hatten, 1779 ermordet wurde, ein Jahr nach seiner Entdeckung dieses Archipels, dem er zu Ehren des berühmten britischen Ministers den Namen Sandwich gegeben hatte. Hilo, der auf der Ostseite gelegene Hauptort derselben, wird nicht sichtbar, dagegen zeigt sich Kailu, das an der Westküste liegt.
Die Insel Hawaï besitzt siebenundfünfzig Kilometer Eisenbahnen, die meist nur zum Waarentransporte dienen, und das Quartett kann den weißen Dampf ihrer Locomotiven sehen.
»Das fehlte gerade noch!« ruft Yvernes.
Am nächsten Tage hat das Juwel des Stillen Oceans diese Gegenden hinter sich gelassen, während die Ketsch die Spitze von Hawaï umschifft, über die der Mauna-Loa, der Große Berg, viertausend Meter emporragt.
»Betrogen, wettert Pinchinat, betrogen sind wir und bestohlen!
– Ja freilich, stimmt ihm Yvernes bei, wir hätten hundert Jahre früher kommen sollen. Dann befänden wir uns aber nicht auf dieser wundervollen Schraubeninsel.
– Einerlei! Weit schlimmer, daß wir hier Eingeborne in Jaquets mit umgeschlagenem Kragen gefunden haben, statt der Wilden im Federschmuck, die uns dieser Schlingel von Munbar versprochen hatte! Nein, ich gebe der Zeit des Kapitän Cook den Vorzug!
– Und wenn die Cannibalen Dich nun auch aufgezehrt hätten, Freund Bratschist? bemerkte Frascolin.
– O, da bliebe mir doch der Trost, in meinem Leben… einmal um meiner selbst willen geliebt worden zu sein!«
Zehntes Capitel.
Die Passage der Linie.
Vom 23. Juni ab wendet sich die Sonne wieder der südlichen Halbkugel zu, und damit ist die Zeit gekommen, die Gegend zu verlassen, wo es nun bald stürmische und rauhe Witterung geben wird. Mit der Bewegung des Tagesgestirns nach der Aequinoctiallinie hin, empfiehlt es sich, ihm möglichst zu folgen. Jenseits derselben herrscht ein angenehmes Klima und trotz ihrer Namen, October, November, December, Januar und Februar bringen diese Monate daselbst gerade die warme Jahreszeit. Die Strecke, die die Hawaï-Inseln von den Marquisen trennt, beträgt dreitausend Kilometer. Standard-Island muß diese Entfernung bald durchmessen und nimmt deshalb die größtmögliche Geschwindigkeit an.
In diesem Theile des Meeres liegt das eigentliche Polynesien. Bei einem Flächenraume von fünf Millionen Quadratkilometern finden sich hier fünf Gruppen, die aus hundertzwanzig Inseln und Eilanden bestehen. Es sind das die Gipfel unterseeischer Berge, deren Kette sich von Nordwest nach Südost bis zu den Marquisen und zur Insel Pitcairn hinzieht, wobei sie mehrere, fast parallele Verzweigungen ausschickt.
Wenn man sich vorstellt, daß dieses weite Becken sich plötzlich entleerte, wenn der von Kleophas befreite hinkende Teufel diese Wassermassen ebenso abhübe, wie die Hausdächer in Madrid, da würde sich den Blicken eine wunderbare Landschaft zeigen. Keine Schweiz, kein Norwegen, kein Tibet könnte sich an Größe mit ihr messen. Von diesen unterseeischen Bergen, deren meiste vulcanischer Natur sind, bestehen einige andre – madreporischen Ursprunges – aus einer kalkigen oder
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