Die Prophetin vom Rhein
bewaffneter Männer nach Köln. Johann Graf zu Sponheim gehörte ihr an zusammen mit seinem Vetter Eberhard von Sayn, beide erklärte Gegner des Kölner Erzbischofs, begleitet von Freimut von Lenzburg und Gero von Ortenburg. Herzog Heinrich von Bayern und Sachsen hatte den Trupp verpflichtet, nachdem Freimut infolge des Zusammentreffens mit der Magistra Einlass in sein Gemach in der Pfalz zu Ingelheim begehrt und ihm dort offenbart hatte, was Gero ihm anvertraut hatte.
Der Herzog war ein ebenso schweigender wie aufmerksamer Zuhörer gewesen und traf dann eine rasche Entscheidung. Die harten Maßnahmen gegen die Stadt Mainz, von seinem kaiserlichen Vetter veranlasst, hatten niemals
seine Billigung gefunden. Zudem war ihm die ungeniert zur Schau getragene Selbstherrlichkeit des Erzkanzlers von Italien, der das Schisma weiter schürte, schon seit Langem ein Dorn im Auge. Bereits mit dessen Vorgängern auf dem Bischofsstuhl war es immer wieder zu Grenzscharmützeln gekommen, weil ein kleiner Teil des Kölner Kirchenbesitzes direkt an das sächsische Herzogtum stieß. Die beiden letzten Male hatte Heinrich dabei den Kürzeren gezogen, was ihn immer noch schmerzte. Wenn es nun gelang, den Statthalter Rainald von Dassels, jenen Kölner Dompropst Dudo, eines schweren Verbrechens zu überführen - was könnte ihm gelegener kommen?
Die Tage der kaiserlichen Triumphe in Italien waren in Heinrichs Augen endgültig vorbei. Jetzt ging es wieder um das Reich diesseits der Alpen. Ein Reich, das nur weiterbestehen konnte, wenn es starke Herzöge hatte, die es friedlich Seite an Seite mit Friedrich Barbarossa regierten.
»Ihr werdet die Augen offen halten und lediglich eingreifen, wenn es unbedingt sein muss.« Die tiefe Stimme des Herzogs klang Freimut noch im Ohr. »Geht der Einsatz daneben, habe ich nichts damit zu tun. Gelingt es Euch aber, den Schuldigen zu überführen, wie Ihr so kühn behauptet, werde ich Euch reich entlohnen. Gero von Ortenburg erhält sein Erbe zurück. Und auf Euch wartet ein Lehen in meinem bayerischen Herzogtum, das nicht nur Euer und Euer Nachfahren Auskommen sichern wird.«
Freimut hatte Gero gegenüber bislang nicht ein Wort davon verraten, was er inzwischen bereute. Deshalb ließ er sich nun hinter den Trupp zurückfallen, um seinen Gedanken nachzuhängen. Er kannte den jungen Ritter nur allzu gut, diesen Ausbund an Temperament, Mut und Entschlossenheit, der inzwischen sein bester Freund geworden war, aber noch immer ausschlagen konnte wie ein junger
Hengst, der zum ersten Mal das Eisen spürt. Nein, er hatte richtig gehandelt! Je weniger Gero wusste, desto besser.
Doch als sie sich den Kölner Stadttoren näherten, erschien Freimut auf einmal undurchführbar, was er dem Herzog noch vor Kurzem so kühn in Aussicht gestellt hatte. Schon wollte er die anderen zur Umkehr bewegen, da erschien wieder jenes Bild vor seinen Augen, das ihm seit damals in Mainz unvergesslich geblieben war: langes, dunkles Haar, große Augen, ein Frauengesicht, trotz der unübersehbaren Spuren von Angst und Kerkerhaft so lebendig und anziehend, wie er es noch nie zuvor gesehen hatte …
Er zwang sich in die Wirklichkeit zurück. Trier, fiel ihm ein, du Träumer, wach endlich auf! Die Magistra hat Trier gesagt! Jetzt gab Freimut seinem Pferd die Sporen und holte rasch zu den anderen auf.
Dudo wollte gerade den Bischofspalast verlassen, als sein Secretarius Clewin plötzlich anklopfte.
»Ein aufgeregtes Weib«, sagte er, die Stirn bedenkenvoll gerunzelt, »das sich nicht abweisen lassen will. Sie besitzt die Dreistigkeit zu behaupten, sie kenne Euch seit Langem und es handle sich zudem um eine Angelegenheit auf Leben und Tod, die keinerlei Aufschub dulde.«
»Aber doch nicht ausgerechnet jetzt!«, rief Dudo. »Die Magistra - ich muss dringend zum Dom …«
Magota hatte den schmächtigen Secretarius einfach zur Seite geschoben. Wie gebannt starrte Dudo sie an. Sie trug ein grellrotes Kleid mit einigen hässlichen Flecken, in dem sie wie eine Flamme leuchtete.
»Rettet mich!«, rief sie. »Das seid Ihr mir schuldig, nach allem, was ich Euch an Silber verschafft habe. Denn nun
wollen sie an mein Leben und an das des Ungeborenen, das ich trage. Ihr müsst mir helfen, das gebieten die Gesetze der heiligen Kirche.«
»Du bist schwanger?«, fragte Dudo. »In diesem Aufzug - was hat das alles zu bedeuten?«
»Mein Kind soll leben. Und ich will es auch, endlich ohne diese Angst, diese Schuld, diese unerbittlichen Gebote, die
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