Die Prophetin vom Rhein
du hättest recht.« Schwerfällig wie ein altes Weib ging Magota zur Tür. »Aber du hast dir einen schwachen Mann ausgesucht, zu schwach für ein eigenes Leben. Und sag später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!«, lauteten ihre Abschiedsworte. »Willem wird sich immer für seinen Onkel entscheiden. Bis zum allerletzten Atemzug.«
Theresa ließ sich auf den Boden sinken und rührte sich nicht mehr, bis Willem nach Hause kam.
»Wieso kauerst du hier so allein im Dunkeln?«, fragte er, während er eilig ein paar Kerzen an der Ofenglut entzündete. »Bist du krank? Ist etwas geschehen?«
»Magota war hier«, sagte sie tonlos. »Ich soll ihr Kind wegmachen. Das hat Adrian verlangt.«
Er zog die Stiefel aus, hob einen Topfdeckel und ließ ihn wieder sinken, als er bemerkte, dass sie offenbar kein Essen vorbereitet hatte.
»Und was wirst du jetzt tun?« Seine Stimme war brüchig.
»Das ist alles, was du dazu zu sagen hast?« Mühsam stand Theresa wieder auf. Ihre Beine brannten und pieksten, weil das Blut nur langsam wieder zu zirkulieren begann. Doch was war dieser unbedeutende Schmerz schon gegen das, was in ihr brannte? »Ich höre keinerlei Überraschung in deiner Stimme. Weil du nämlich bereits über alles Bescheid wusstest. So ist es doch, Willem: Du hast mich ins Haus deines Onkels geschickt, damit ich ein Ungeborenes töten soll - mit deinem Kind im Bauch!«
Er mied ihren Blick, starrte stattdessen auf seine bloßen Füße.
»Du weißt, wie ich darüber denke«, murmelte er. »Immer wieder dieses unselige Gefängnis im Fleisch! Ich wünsche mir so sehr, dass alle Seelen frei sein können. Nah bei Gott, dem Allmächtigen, der sie aus dem reinen Geist heraus erschaffen hat.«
»Dann ist unser Ungeborenes für dich auch nichts als eine gefangene Seele?«, flüsterte Theresa ungläubig. »Du glaubst noch immer daran, nach allem, was zwischen uns geschehen ist?«
Er rührte sich nicht.
»Antworte gefälligst!« Jetzt schrie sie.
»Warum erlöst du uns nicht?« Sein Blick bettelte um ihr Verständnis. »Sowohl Magota - als auch uns beide? Du verfügst doch über das notwendige Wissen dazu. Besinne dich, Theresa! Wir zwei könnten wieder so glücklich miteinander sein, gäbe es da nicht dieses im Fleisch gefesselte Wesen, das uns entzweit.«
»Dein Onkel kann dich formen und gestalten wie weiches Wachs. Du bist nichts als seine Lumpenpuppe. Weißt du eigentlich, wie weh mir diese Erkenntnis tut, Willem?«
»Theresa, ich …«
»Schweig! Deine Zewener Mühle hat er auf dem Gewissen. Adrian hat die Brandstifter bestellt und entlohnt …«
»Du lügst!«, rief er. »Das kann niemals sein!«
»Du weißt genau, dass ich die Wahrheit sage. Magota hat es mir gestanden - und noch vieles mehr. Adrian hat den Brand legen lassen. Vielleicht lässt er ja auch noch dieses Haus abfackeln, damit das Kleine und ich jämmerlich zugrunde gehen und du ihm endlich wieder so gehörst, wie er es verlangt: mit Haut und Haaren.«
»Hör auf damit - sofort!« Willem presste die Hände auf die Ohren. »Du weißt ja nicht mehr, was du da sagst.«
»Und ob ich das weiß! Niemals zuvor in meinem Leben
hab ich klarer gesehen.« Plötzlich war alles in Theresa ruhig und kalt. »Lauf doch zu ihm, so wie du es bislang immer getan hast! Adrian hat sicherlich eine passende Erklärung zur Hand. Mich aber verschone gefälligst damit. Ich kann deinen Anblick nicht länger ertragen!«
Willem starrte sie an wie eine Erscheinung, dann drehte er sich um und rannte barfüßig in die Nacht hinaus, als seien ihm tausend Teufel auf den Fersen.
KÖLN - PFINGSTEN 1163
Ihr Herz raste. Die Hände waren eiskalt.
Dabei hätte das Kölner Domkollegium die Magistra vom Rupertsberg kaum freundlicher empfangen können. Seit Dudo sie jedoch beiseitegenommen und um eine Unterredung unter vier Augen gebeten hatte, fühlte sie sich wie benommen. Es nützte wenig, dass sie in dem kleinen Nebenzimmer, in das er sie geführt hatte, sofort ans weit geöffnete Fenster getreten war, um hinunter in den Bischofsgarten zu schauen, wo eine frühsommerliche Blütenpracht sich aufs Herrlichste entfaltete.
Drinnen schien es trotzdem nach Verrat und Tod zu riechen, und das lag an dem schlanken Mann in seinem schweren braunen Samtmantel, der mit freudlosem Lächeln vor ihr stand.
»Wir haben triftigen Grund zur Annahme, dass sich unter den hiesigen Ketzern zwei Eurer ehemaligen Nonnen befinden, hochwürdige Mutter.«
Warum hatte sie nicht Benigna gebeten, sie zu
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