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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Abraham Mich gezeigt, Moses zur Aufstellung der Gesetzes mit Meiner Erleuchtung durchtränkt und die Propheten als Meine geliebten Freunde eingesetzt …«

    Die Magistra wurde immer lauter, als würde sie von einer starken unsichtbaren Kraft gespeist.
    »Eure Zungen aber sind stumm beim laut rufenden Posaunenschall der Stimme des Herrn. Ihr liebt nicht das heilige Erkennen, das gleich den Sternen einen eigenen Kreislauf hat. Deshalb fehlen bei euren Predigten dem Firmament der Gerechtigkeit Gottes die Lichter, wie wenn die Sterne nicht leuchten. Ihr seid Nacht, die Finsternis aushaucht, und wie ein Volk, das nicht arbeitet und aus Trägheit nicht im Licht wandelt. Wie eine nackte Schlange sich in ihre Höhle verkriecht, so begebt ihr euch in den Gestank niedrigen Viehs. Ihr schaut ja nicht auf Gott und verlangt auch nicht, Ihn zu schauen. Ihr blickt vielmehr auf eure Werke und urteilt nach eurem Gefallen, indem ihr nach Belieben tut und lasst, was ihr wollt.«
    Hildegards Brust entrang sich ein tiefer Seufzer.
    »Ach, ihr solltet der Berg Simon sein, auf dem Er wohnt. Aber das seid ihr nicht! Sondern was immer euer Fleisch verlangt, das tut ihr. Die Macht Gottes wird eure von Bosheit hochgereckten Nacken niederzwingen und zunichtemachen, was durch Windstoß aufgebläht ist. Denn ihr erkennt weder Gott, noch fürchtet ihr den Menschen, noch verachtet ihr die Ungerechtigkeit, sodass ihr danach verlanget, sie in euch zu vernichten …«
    Die Menschen um sie herum hatten längst zu reagieren begonnen. Hildegard hörte, wie immer mehr Stimmen laut wurden. Die Masse war nicht länger unbeweglich und gebannt lauschend, sondern zum Leben erwacht.
    »Ein Erzbischof, der noch nicht einmal die Priesterweihe besitzt«, hörte sie eine frische junge Männerstimme gleich neben sich. »Meint sie den vielleicht mit ihren Worten?«
    »Fette Äbte und Prioren, die sich die Bäuche vollschlagen,
ohne an uns Hungrige zu denken«, keifte ein Weib. »Wie abgrundtief ich sie doch alle hasse!«
    Doch Hildegard war mit ihrer Abrechnung noch lange nicht am Ende angelangt.
    »Was sagt ihr jetzt?«, rief sie und meinte plötzlich Dudo zu erkennen, der sich weit nach vorn gedrängt hatte, wie sie es nicht anders von ihm erwartet hatte. »Ihr habt keine Augen, wenn eure Werke den Menschen nicht leuchten im Feuer des Heiligen Geistes und ihr ihnen das gute Beispiel nicht immer wieder vorlebt. So aber lasst ihr euch durch jeden daherfliegenden weltlichen Namen lahmlegen. Bald seid ihr Soldaten, bald Knechte, bald Possenreißer. Mit eurem leeren Getue aber verscheucht ihr bestenfalls im Sommer einige Fliegen …«
    Beifall brandete auf, lange und anhaltend.
    »Gib es ihnen!«, hörte Hildegard jemanden schreien. »Reiß ihnen die Maske vom Gesicht! Sie sind der Ausbund an Schlechtigkeit, der uns aussaugt und peinigt.«
    »Ihr müsstet die starken Eckpfeiler sein, die die Kirche stützen. Allein, ihr seid zu Boden geworfen und kein Halt für die Kirche, sondern flieht in die Höhle eurer Lust. Und wegen eures ekelhaften Reichtums und Geizes unterweist ihr eure Untergebenen nicht und gestattet nicht, dass sie bei euch Belehrung suchen, indem ihr sprecht: ›Wir können unmöglich alles schaffen.‹ Ihr solltet eine Feuersäule sein, den Menschen vorausziehen - doch stattdessen ist der Teufel Gast bei euch …«
    Wen hatte Dudo da neben sich? Ein dürres Weib in einem feuerroten Kleid! Die Magistra kniff die Augen zusammen. Schon seit Längerem musste sie Geschriebenes weit von sich halten, um es entziffern zu können, doch dass die einstmals so treuen Diener ihr nun auch den Dienst versagten, wenn sie in der Ferne scharf sehen wollte, war
neu für sie. Dann jedoch erkannte sie die Frau, und es fuhr in sie wie ein Flammenschwert.
    Magota - im roten Sündenkleid der toten Ada!
    Die Worte schienen Hildegards Kehle sprengen zu wollen. Die Magistra erbrach sie geradezu wie ein Körper, der sich von verdorbener Speise reinigen muss, um wieder heil und gesund zu werden.
    »Denn der Teufel ist bei diesen Leuten«, schrie sie. »Jene, die sich gute Christen nennen, verflucht sollen sie sein! Im Hochmut ihres aufgeblähten Geistes behaupten sie: ›Wir übertreffen alle.‹ Und hinterher treiben sie doch insgeheim Wollust. So kommen ihre Verdorbenheit und ihre Ketzerei offen ans Tageslicht …«
    Griff Magota nicht gerade nach Dudos Arm, als wolle sie sich auf ihn stützen? Waren die beiden etwa längst im Bunde, während er Hildegard vorhin noch mit

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