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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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kein Mensch auf Dauer befolgen kann. Ich hab mich losgesagt von ihnen und alles widerrufen. Dieses Kleid soll meinen Schritt hinaus in die Welt schreien.«
    Sie warf ihr dünnes mausfarbenes Haar nach hinten, eine Geste, die bei anderen Frauen anmutig wirken konnte, bei ihr aber nur jämmerlich aussah.
    »Wenn Ihr mir Schutz gewährt, könnt Ihr alles von mir erfahren, was Ihr nur wollt, alles über jene Ketzer, die sich gute Christen nennen. Ich werde keinen von ihnen schonen, das verspreche ich. Nehmt Ihr mein Angebot an?«
    Dudo wich zurück. Sie roch nach Weib und Sünde. Ihm grauste regelrecht vor ihr. Wäre da nicht Clewin gewesen, der alles mit großen Augen verfolgte, er hätte ihr womöglich sogar ins Gesicht geschlagen. Mit großer Anstrengung zwang er sich zur Mäßigung, obwohl alles in ihm nach dem Gegenteil schrie.
    Was konnte Magota ihm bieten, was er noch nicht wusste? Er musste sie provozieren, das war die einzige Möglichkeit, um es herauszufinden.
    »Du bist zu spät dran«, sagte er hart. »Warum bist du nicht früher zu mir gekommen? Inzwischen kennen wir alle Verstecke, wir werden eure Unterschlupfe schon bald wie Rattennester ausräuchern. Ich kann dir nicht mehr helfen. Zusammen mit den anderen wirst du untergehen.«
    Er wandte sich ab. Ihr Anblick in diesem schmutzigen Fetzen war mehr, als er ertragen konnte.

    »Auch nicht, wenn ich Euch jemand Besonderen ans Messer liefere? Theresa von Ortenburg zum Beispiel, den Liebling der Magistra.«
    »Wir wissen längst, wo sie sich aufhält.« Seine Stimme klang müde. »Du sagst uns nichts Neues. Sie zu ergreifen und einzusperren, ist lediglich eine Frage der Zeit.«
    »Das glaubt Ihr bloß«, rief Magota. »Aber Ihr täuscht Euch. Diese Theresa ist viel schlauer, als Ihr denkt. Sie wird sich verstecken, das hat sie mir zu verstehen gegeben. Wenn Ihr mir und meinem Ungeborenen aber den Schutz gewährt, den ich von Euch fordere, werdet Ihr erfahren, wo sie zu finden ist.«
    Von der Tür aus machte Clewin ihm unmissverständliche Zeichen. Der junge Mann hatte Theresa auf Dudos Anordnung hin gesucht und schließlich aufgespürt. Nur zu verständlich, dass er sie jetzt auch festgenommen und verurteilt wissen wollte.
    »Dann rede meinetwegen«, sagte Dudo nach einem tiefen Seufzer. »Doch wenn du versuchen solltest, mir Lügen aufzutischen, dann gnade dir Gott!«

    Der Platz vor dem Dom war schwarz von Menschen. Sie standen dicht an dicht, sodass den beiden Frauen nur eine schmale Gasse blieb, um zwischen all den Leibern bis zum Portal zu gelangen. Die Magistra hörte Schwester Benigna, die tapfer die Vorhut bildete, schwer schnaufen, und plötzlich änderte sie ihren Entschluss.
    Die Lehren jener, die sich gute Christen nannten, verabscheute sie aus ganzem Herzen, und dennoch legten diese Ketzer bei ihrer Kritik am sündigen, machtgeilen Klerus den Finger auf die offene Wunde. Gäbe es keine solchen
Männer wie Dudo, dann wäre der Zulauf zu den guten Christen um vieles geringer. Jemand wie er durfte sich nicht anmaßen, sich Diener Gottes zu nennen. Ihm und seinesgleichen wollte sie nun, hier, mitten auf dem Domplatz, eine Predigt zuteilwerden lassen, die sie niemals vergessen würden.
    Sie räusperte sich, dann begann sie zu reden: »Der da war und Der kommen wird, spricht zu den Hirten der Kirche: Geliebte Söhne, die ihr nach der ausdrücklichen Weisung des Herrenwortes Meine Herde weidet, warum schämt ihr euch nicht, während doch alle anderen Kreaturen die Vorschriften, die sie von ihrem Meister haben, nicht vernachlässigen, sondern erfüllen?«
    Es war still geworden auf dem großen Areal. Keiner, der ihre Worte nicht förmlich in sich aufgesogen hätte. Es war, als ob die Menschen hier seit Langem auf sie gewartet hätten. Auf jemanden wie sie, der endlich aussprach, was ihre Herzen schon die ganze Zeit bewegte.
    Hildegard wurde plötzlich von einem Schwindelgefühl ergriffen, doch sie kämpfte dagegen an und überwand es schließlich nach ein paar tiefen Atemzügen. Hinter sich spürte sie die warme, wohltuende Nähe Benignas.
    Sie war nicht allein.
    Und ihr stärkster Verbündeter, das Lebendige Licht, ließ die Worte ungehindert auf ihre Zunge strömen.
    »Ich habe euch eingesetzt wie die Sonne und die übrigen Lichter, damit ihr den Menschen leuchtet durch das Feuer der Lehre, damit ihr glänzt durch euren guten Ruf und die Herzen brennen macht. So habe Ich es in der ersten Weltzeit gemacht. Abel habe Ich auserwählt, Noah geliebt, dem

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