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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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deinen Kampf bald ohne mich weiterführen müssen, geliebte Tochter. Sogar den Namen meines Nachfolgers glauben einige besonders Schlaue bereits zu kennen: Arnold von Selenhofen, der Kanzler des Königs.« Seine Lippen waren schmal geworden. »Der Sohn eines Ministerialen! Er wird diesen Aufstieg Friedrich niemals vergessen.«
    »Das kann der König nicht wagen! Ihr seid ein echter Hirte, habt väterlich über die Klöster gewacht und all die Jahre die Geschicke der Diözese klug und gütig geführt. Niemand darf Euch des Amtes entheben, es sei denn der Heilige Vater in Rom - und welchen Anlass sollte der dazu haben?«
    »Unter gewissen Umständen kann man sich den Papst für seine Absichten geneigt machen«, sagte Heinrich. »Das ist schon öfter als einmal geschehen. Aber ich habe nicht vor, den Kopf einzuziehen, geschweige denn vorschnell das Feld zu räumen, meine Tochter, falls du das meinst.« Die Stimme des Erzbischofs hatte sich verändert, klang plötzlich kräftiger, beinahe angriffslustig. »Ich lasse mir sogar eine neue Brünne anfertigen. Für den irdischen Kampf ist der Erzbischof von Mainz also durchaus gerüstet. Dem himmlischen König dagegen wird er sich immer und überall ohne Gegenwehr ergeben.«
    Bevor Hildegard sich versehen konnte, hatte er ihre Hand ergriffen.
    »Richardis«, sagte er. »Lass uns noch einmal über sie sprechen! Ich weiß, wie sehr dich der Verlust getroffen hat. Steht meine Entscheidung, sie nach Bassum zu entlassen, noch immer zwischen uns?«
    Hildegard sah ihn unverwandt an. Schließlich gelang
ihr eine winzige Geste, die er zunächst als Kopfschütteln deutete. Oder hatte sie doch genickt?
    Erzbischof Heinrich war sich plötzlich alles andere als sicher.

    Fegen ließ er Gero, wieder und wieder die Werkstatt penibel ausfegen, bis auch der winzigste Span auf dem gestampften Boden verschwunden war, als sei der Junge kein Grafensohn aus edlem Geblüt, sondern eine Magd, in deren Hände ein Besen besser gepasst hätte. Es nützte nichts, dabei ein mürrisches Gesicht zu ziehen oder absichtlich schlampig zu arbeiten. Thies, Sarwürker zu Bingen, blieb unbeeindruckt und befahl höchstens, noch einmal ganz von vorn zu beginnen.
    Wieso hatte er ausgerechnet hier stranden müssen?
    Es gab da durchaus jemanden in der Nähe, bei dem zu leben Gero sich sehr viel eher hätte vorstellen können, wenn er schon nicht zurück auf die väterliche Burg konnte. Doch der hatte ihn offenbar nicht bei sich aufnehmen wollen. War es also reine Einbildung gewesen, dass Josch ihn gern mochte und wie einen Neffen, ja fast schon einen Sohn behandelt hatte? Oder war er wieder einmal zu frech und vorlaut gewesen und hatte dadurch alles verdorben?
    So grübelte Gero Nacht für Nacht vergeblich, fand nur mühsam in den Schlaf und erwachte allmorgendlich zerschlagen und missgelaunt. Der Sarwürker, zu dem man ihn abgeschoben hatte, blieb ihm auch noch nach Wochen so fremd wie bei der allerersten Begegnung.
    Wie seltsam er schon aussah! Thies war baumlang geraten und mit derart klobigen Gliedmaßen ausgestattet, als entstamme er nicht dem Schoß einer menschlichen Mutter,
sondern sei von Riesen aus einem Lehmbatzen geformt worden. Falbes Haar stand büschelweise von seinem Kopf ab. Die Nase hatte einen Knick und war zu weit nach links gerutscht. Zu Geros Schrecken schimmerte das rechte Auge milchig.
    »Ein glühender Splint«, lautete die Antwort, weil der Junge nicht aufhören konnte, darauf zu starren. »Bringt unser Handwerk bisweilen eben so mit sich.«
    Keiner hatte Gero gefragt, ob er in das schmale Haus ziehen wolle, das sich neben anderen im Schatten von St. Martin duckte. Dabei hatte es für den perfiden Plan der frommen Schwestern vom Rupertsberg durchaus ernst zu nehmende Anzeichen gegeben. Gero war jedoch zu sehr mit seinem Kummer beschäftigt gewesen, um sie richtig zu deuten. Adas Tod hatte ihn in ein tiefes Loch stürzen lassen, aus dem er kaum wieder herausfand. Die Nonnen empfanden Mitleid mit ihm, zumindest hatte er das eine ganze Weile geglaubt, und gaben sich Mühe, ihn aufzuheitern. Deshalb war er auch nicht misstrauisch geworden, als sie begonnen hatten, ihn mit Leckerbissen regelrecht vollzustopfen.
    All die Frauenhände, die im Vorbeigehen seinen Kopf gestreichelt hatten! Diese scheinheiligen Blicke, das vertrauliche Zuzwinkern, als sei alles in bester Ordnung, obwohl die Nonnen längst leichtfertig Lügen über ihn verbreiteten - bis zum allerletzten Atemzug würde er keiner dieser

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