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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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durch den Wald gestreift war, ohne irgendjemandem Rechenschaft über sein Treiben ablegen zu müssen. Was spielte es da schon für eine Rolle, dass hier überall Häuser dicht an dicht standen und nur ab und an ein Stück armseliges Grün hervorlugte?
    Die Sonne schien, er hörte Vogelzwitschern, und es kam ihm vor, als seien mit einem Schlag die hübschesten Mädchen auf den Gassen unterwegs. Zweien von ihnen, die gemeinsam einen großen Käfig mit gackernden Hühnern vom Markt nach Hause schleppten, pfiff er frech hinterher. Sie drehten sich um, zogen zunächst ein empörtes Gesicht, doch als sie erkannten, dass es nur ein magerer Junge war, der sich ein wenig aufspielen wollte, lachten sie freundlich zurück.
    Die kleine Begegnung hatte ihm das Herz gewärmt. Trotzdem wurde er immer langsamer, je näher er der Salzgasse kam. Doch alles Zögern und Zaudern wollte nicht helfen, schließlich stand er doch vor dem Haus der Wehmutter und wollte gerade klopfen, als plötzlich die Tür aufging.
    »Josch?« Die Augen des Jungen waren groß geworden, als er erkannte, wer da vor ihm stand.
    »Herein mit dir, Gero! Du willst zu mir?«
    »Nein«, sagten seine Lippen, während sein Herz das Gegenteil schrie.
    Die Tage, die er an Joschs Seite im Wingert verbracht hatte, ragten als helle Spitzen aus dem dumpfen Einerlei der letzten Zeit heraus. Weder Bücken noch Graben hatten ihm da etwas ausgemacht, und trotz der harten Arbeit hatte er einmal nicht dauernd ans Essen denken müssen, so sehr genoss er die Gegenwart des wortkargen Winzers. Warum nur hatte Josch ihn nicht zu sich genommen? Er musste doch gespürt haben, wie inständig Gero sich das gewünscht hatte!

    »Ich soll zur Wehmutter«, sagte er schließlich matt. »Etwas Wichtiges ausrichten.«
    »Dann komm! Ich bring dich zu ihr.«
    Zwei blonde Kinderköpfe fuhren zu ihm herum, als er die Küche betrat, doch darum konnte Gero sich jetzt nicht kümmern. Er folgte dem Mann, der sich mit allergrößter Selbstverständlichkeit im Haus bewegte, und erst als sie schon auf der Treppe waren, die nach oben führte, begriff er, weshalb.
    »Sie ist deine Frau?«, brachte er hervor.
    »Das will ich meinen!« Josch gab der angelehnten Tür einen kleinen Stoß. »Da will jemand zu dir, Eva!«
    Eine blonde Frau saß am Fenster, einen Säugling an der entblößten Brust, der beim Trinken leise Schmatzlaute von sich gab. Mutter und Kind erschienen Gero als Einheit, Bauch an Bauch, einander ganz und gar zugewandt. Die kräftige Rechte der Frau war frei und streichelte behutsam den hellen Flaum des Köpfchens. Als das Kind innehielt und ihren Blick suchte, glitt die Hand vom Kopf und fuhr, den Daumen leicht abgespreizt, unter die volle Brust, bis das Saugen erneut einsetzte.
    Der sperrige Eisengeruch des Sarwürkerhauses, den Gero nicht mehr loswurde, so sehr er sich auch schrubbte, schien mit einem Mal verflogen. Stattdessen spürte er etwas Laues, Liebliches, das ihm tief in die Lenden fuhr und ihn seltsam wehrlos machte. Mehrmals musste er heftig blinzeln, weil seine Augen brannten, und die Kehle wurde ihm eng. Gleichzeitig schoss Wut in ihm hoch, ein heißer, scharfer Strahl, der ihn innerlich zu verätzen drohte.
    »Johannes, unser Jüngster«, sagte die Frau mit einem Lächeln und schien sich keineswegs vor dem fremden Jungen zu genieren, der da so unvermutet in ihre Schlafkammer geplatzt war. »Ein stattlicher Bursche für seine paar
Wochen, wie du unschwer erkennen kannst - und ständig hungrig.«
    »Sarwürker Thies schickt mich«, stieß Gero hervor, der den Anblick dieser friedlichen Szene kaum noch ertragen konnte und gleichzeitig unfähig war, den Blick abzuwenden. »Er hat gesagt, du sollst …«
    »Doch nicht etwa das Kind?« Eva sah auf einmal besorgt aus. »Damit hat es doch noch Monate Zeit!«
    »Nein, nein!« Auf einmal war es, als seien ihm alle Worte ausgegangen. Josch und sie und der Säugling und seine tote Mutter - das war einfach zu viel auf einmal! »Der Meisterin geht es bloß nicht gut, und da dachte Thies, du …«
    »Ich soll also zu ihr kommen«, half Eva ihm weiter. »Am besten sofort und auf der Stelle?« Sie stieß einen Seufzer aus. »Diese Frauen, die ihr erstes Kind erwarten, sie sind doch alle gleich!«
    Der Kleine schien seine Mahlzeit inzwischen beendet zu haben. Die Brustspitze war ihm aus dem Mund gerutscht. Er schlief friedlich, die Händchen zu Fäusten geballt.
    Eva stand vorsichtig auf und streckte Gero das Bündel entgegen.
    »Magst ihn kurz

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