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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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scharfer Schmerz, als reiße ihm jemand die Kugel aus der Schulter.
    »So wird das nichts, Junge.« Die Stimme des Meisters klang bleiern. »Ich hab dich aufgenommen, damit du ein anständiger Handwerker wirst. Mit einem jähzornigen Prügelknaben weiß ich nichts anzufangen.«
    »Dann wirf mich doch raus!«, japste Gero, dem die Luft immer knapper wurde. »Je eher, desto lieber!«
    »Damit du als Bettler im nächsten Straßengraben verreckst? Ich hab der Magistra versprochen, mich um dich zu kümmern. Und ein Thies hält, was er verspricht.«
    Er ließ ihn los, Gero schnellte nach vorn und umklammerte japsend seine malträtierte Schulter.
    »Und du bist ab jetzt gefälligst ruhig!«, herrschte Thies seinen Gesellen an. »Sonst stopf ich dir dein vorwitziges Maul. Geht der Auftrag des Bischofs an uns vorbei, kann ich dich ohnehin nicht weiter durchfüttern.« Seine schmalen Augen wanderten von einem zum anderen. »Hab ich mich deutlich genug ausgedrückt?«

    Er hielt sie mit seinem Blick fest wie mit einer Eisenzwinge, bis beide betreten nickten, erst Laurenz, schließlich auch der Junge.
    Ein paar Tage lang nahmen Laurenz und Gero sich zusammen und vermieden weitere Zusammenstöße, doch die Anspannung im Haus ließ nicht nach. Cillie, die Meistersfrau, schien es besonders schwer zu treffen. Ohnehin alles andere als eine begnadete Köchin, misslangen ihr inzwischen sogar die einfachsten Gerichte. Die Grütze war nun jeden Tag angebrannt, das Kraut so sauer, dass man es kaum hinunterwürgen konnte, der Schweinebauch schmeckte ranzig.
    »Hast du vor, uns zu vergiften?« Thies versetzte der Krautschüssel angewidert einen Stoß, der sie beinahe vom Tisch gefegt hätte. »Mit der Nadel bist du ja zum Glück einigermaßen geschickt. Aber am Herd? Zum Davonlaufen! Jedes Weib kann kochen - zumindest hat dein Vater das behauptet, als ich um dich gefreit habe.«
    »Damals hatte ich aber auch noch nicht das hier in meinem Bauch!« In ihren hellblauen Augen schimmerten Tränen der Empörung. »Dieses dreiste Balg, das mich nach Belieben tritt und boxt, keine Nacht mehr schlafen lässt und so hässlich gemacht hat wie einen Sturzacker.«
    Voller Unbehagen starrte Gero auf den wurmstichigen Tisch. Allein die Erwähnung ihres unübersehbaren Zustandes bereitete ihm Übelkeit.
    »Aber dich kümmert das alles ja nicht!« Cillie geriet mehr und mehr in Rage und schien mittlerweile ganz vergessen zu haben, dass sie fremde Zuhörer hatten. »Was scheren dich schon deine Frau und dein ungeborenes Kind? Du hast ja deine geliebten Eisenkisten! Nicht einmal ein Fünkchen Trauer würdest du zeigen, müsste auch ich im Kindbett sterben wie deine arme Magdalena vor mir! Dann
schwängerst du eben die nächste Dumme, damit sie sich die Hände für dich wund stichelt. So einfach ist das für dich.«
    Sie zog die Schultern ein und machte sich klein, als rechne sie mit einem Hieb, doch was sie voller Wut und Verzweiflung hervorgestoßen hatte, schien den Sarwürker nachdenklich gemacht zu haben.
    »Dann sollten wir wohl besser die Wehmutter rufen«, brummte er. »Dich einmal gründlich in Augenschein zu nehmen, kann ja nicht schaden, bevor der nächste Auftrag kommt. Und vielleicht hat sie ja sogar ein Mittelchen parat, damit es dir schnell wieder besser geht.« Ein knappes Nicken in Geros Richtung. »Wisch den Löffel ab, Junge, und dann nichts wie ab zur Salzgasse. Das erste Haus, du kannst es gar nicht verfehlen. Richt der Wehmutter aus, dass sie noch heute vorbeikommen soll! Nein, bring sie am besten gleich mit!«
    »Ich?« Gero brachte es fertig, dieses eine Wort auf erstaunliche Weise langzuziehen.
    »Siehst du vielleicht hier sonst noch irgendwo einen Jungen?«, raunzte Thies zurück. »Und beeil dich gefälligst! Vor uns liegt noch jede Menge Arbeit.«
    Widerwillig gehorchte Gero. Seine schlimmsten Blessuren waren langsam am Abheilen, doch dafür fühlten die Beine sich steif an, und der Rücken schmerzte wie bei einem Greis, so viele Stunden hatte er jeden Tag gebückt in der Werkstatt hocken müssen. Die ersten Schritte waren die reinste Qual; vor allem sein linkes Bein war taub und so sperrig, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Doch als er erst einmal in Bewegung gekommen war, wurde es schnell besser. Er spürte seine Muskeln und Sehnen, die sich langsam dehnten, und freute sich, wie gleichmäßig die Sohlen auf dem harten Boden aufkamen. Und dann war es auf einmal wieder beinahe wie früher, als er tagelang über die Felder
und

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