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Die Prophetin vom Rhein

Titel: Die Prophetin vom Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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erleichtert hatte. Johannes’ blonde Locken hingen wirr herunter. Der Mund stand halb offen. Er schnarchte herzerweichend.
    Hinter Eva, im Halbdunkel, erkannte Theresa Joschs hohe Gestalt.
    Theresa zeigte mit dem Finger nach drinnen, wo sie noch die Glut unter der Herdstelle glimmen sah, unfähig, in ihrer jämmerlichen Verfassung nur ein einziges verständliches Wort herauszubringen. Ein Hort der Wärme und Geborgenheit - und sie, die nichts mehr davon besaß.
    Eva schien ihre Gedanken lesen zu können.
    »Ich hab schon auf dich gewartet, Theresa«, sagte die Wehmutter und trat einladend zur Seite. »Komm erst einmal ins Haus, mein Mädchen! Danach sehen wir weiter.«

Vier
    BINGEN - HERBST 1154
    Die geschlechtliche Lust bei der Frau tann mit der Sonne verglichen werden, die milde und leicht und ständig die Erde mit ihrer warmen Glut durchdringt, auf dass sie Früchte hervorbringe. Denn wenn sie die Erde heftig und mit ihren Überschüssen anzünden würde, würde die Frucht mehr geschädigt als gefördert. So ist auch der Geschlechtgenuss bei der Frau milde und still und doch von einem ständigen Glutbegehren, inder zu empfangen und zu gebären. Derartig geeignet zur Empfängnis und zum Uustragen aber tönnte die Frau nicht sein, wenn sie immerfort in der hitze des wollüstigen Begehrens stecten würde. Wenn sich also die Wollust in der Frau bemertbar macht, ist sie leichter als beim Mann, weil das gewisse Feuer in ihr nicht so heftig glüht, als dies beim Mann der Fall ist. Denn sowie der Sturm der Leidenschaft sich in einem Mann erhebt, wird er in ihm wie in einer Mühle herumgeworfen. Seine Geschlechtsorgane sind dann gleichsam die Schmiede, in die das Mart sein Feuer liefert …
     
     
    Schwester Lucilla war plötzlich verstummt. Ihre dichten flachsblonden Brauen verzogen sich schmerzlich.

    »Was ist?«, fragte die Magistra. »Wieso liest du nicht weiter? So werden wir niemals schneller vorankommen.«
    Jetzt erst fiel ihr auf, dass sich das sonst so blasse Gesicht der jungen Nonne glutrot gefärbt hatte. Sicherlich brannten auch auf ihrem Hals rote Flecken, hätte der Schleier nicht alles züchtig vor fremden Blicken verborgen.
    Bruder Volmar hüstelte dezent. Schwester Hedwig, am nächsten Tisch scheinbar ganz in die Abschrift eines kostbaren Kodex vertieft, den sie nicht einmal ihren Lieblingsschülerinnen anvertraut hätte, schaute von ihrem Pergament auf und nickte Lucilla aufmunternd zu.
     
    Dann befördert jene Schmiede die Glut zu den männlichen Geschlechtsteilen, setzte die junge Nonne mit schwankender Stimme erneut an, und lässt sie mächtig aufflam men …
     
    Es war einfach zu viel für sie. Lucilla sprang auf, stieß dabei ihren Hocker um und rannte hinaus, die Hand vor den Mund gepresst, als müsse sie sich im nächsten Moment übergeben.
    »Wir könnten eine andere auswählen«, schlug Hedwig vor, nachdem das Schweigen im Scriptorium unerträglich geworden war. »Ja, genau das sollten wir tun! Selbst wenn das Latein der betreffenden Schwester ein wenig schlechter wäre, denke ich …«
    »Ich bin diese ständigen Kompromisse leid, leid, leid!«, fiel Hildegard ihr ins Wort, und jedem im Raum war klar, was sie damit meinte. »Kann sie sich denn nicht ein wenig zusammennehmen? Die Passagen über das Geschlechtsleben der Menschen gehören nun einmal zu einer ordentlichen Naturkunde. Gott hat uns Menschen aus Leib und Seele geschaffen - und daran gibt es nichts zu rütteln. Wer
sich für die Keuschheit entscheidet, soll ruhig wissen, wem er da abschwört, sonst ist der Verzicht ja nichts wert.«
    »Sie ist jung und unerfahren«, gab Hedwig zu bedenken und bückte sich ächzend, um den Hocker an seinen Platz zurückzustellen. »Erst vor wenigen Monaten hat sie die Ewigen Gelübde abgelegt. Wenn es also nur um ein wenig Zeit geht, die sie noch braucht …«
    »Außerdem ist sie nicht Theresa«, unterbrach sie Volmar. »Und wird es auch niemals werden.«
    Jetzt war die Stille schneidend geworden. Kein anderer hätte es wagen können, diesen Satz auszusprechen. Und sogar ihm zürnte Hildegard deswegen, das verriet der strenge Gesichtsausdruck, der ihre Lippen zur Linie gemacht hatte.
    »Wir machen für heute Schluss.« Die Magistra erhob sich so abrupt, dass die Wachstäfelchen aus ihrem Schoß purzelten. »Wir haben Vollmond, und es ist lausig kalt geworden. Vielleicht rührt die allgemeine Reizbarkeit ja daher.«
    Der Mönch hielt ihrem aufgebrachten Blick stand, dann verneigte er sich kurz und

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