Die Prophetin von Luxor
beherrscht, respektvoll, höflich zu bleiben und sich vor allem nie von seinen Gefühlen und Leidenschaften übermannen zu lassen.
Er war entsetzt über sich selbst. So also behandelte er die Frau, die er liebte? Er bestieg sie wie ein Tier in der Brunftzeit im öffentlichen Park eines Palastes?
Automatisch distanzierte er sich von seinen Gedanken und verlangte von Ameni zu wissen, was er von ihm wollte.
Er nahm die mit einer Kartusche verzierte Nachricht entgegen und scheuchte den Soldaten mit aller Überheblichkeit weg, die er aufbringen konnte. Erst als er außer Sichtweite war, wandte er sich RaEm zu. Die Hitze der Leidenschaft war verflogen. Sie hatte sich bedeckt und sah mit dem gleichen Ekel wie er auf die vielen Fliegen.
Er kam auf die Füße, arrangierte seinen Schurz so gut es ging und überreichte RaEm die Depesche. Dann zupfte er seinen zerknitterten Umhang vom Boden auf und bürstete die toten Fliegen ab. Mit ernster Miene starrte RaEm auf das Blatt, dann ließ sie den Papyrus fallen, als wäre er eine Giftschlange.
Cheftu hob die Nachricht auf.
Es war ein Brief von Hatschepsut, ewig möge sie leben!, an Thutmosis: Cheftus Magen begann zu brennen, als er sie las.
»Mein liebster und alleredelster Neffe. Leben! Gesundheit! Wohlergehen! Wie großzügig ist Dein Erbieten, um die Hand der Priesterin RaEmhetepet anzuhalten. Meine Majestät zwei-felt nicht daran, daß der allergenialischste Herr Nesbek nicht zögern wird, für Dich auf RaEm zu verzichten, so wie es Meine Majestät wünscht. Bitte vollziehe die Hochzeit binnen kurzem. Meine Majestät erwartet die Nachricht von RaEmhetepets Wachsen. Mögen Isis und Nephthys Eure Verbindung segnen.«
Cheftu las die an den Rand gekritzelte Notiz. »Herrin RaEm. Der glückliche Augenblick soll heute abend sein. Komm beim Atmu zu mir.« Unterzeichnet war sie mit der Kartusche Thut-mosis’ III. RaEm stand neben ihm, das Gesicht so weiß wie ihr Umhang.
Mit totenmaskensteifer Miene überreichte Cheftu die Botschaft und verbeugte sich. »Hier sind wohl Glückwünsche angebracht, Herrin.«
RaEm sagte nichts, sondern fingerte gedankenversunken an dem Schlitz in ihrem Kleid herum, durch den man ihr braunes Bein in seiner gesamten Länge sehen konnte und der es ihr ermöglichte, ebenso große Schritte zu machen wie er. »Bedeutet das, ich werde königliche Gemahlin, wenn er zum Pharao ernannt wird?« fragte sie, während sie zu ihren Gemächern eilten.
Abscheu stieg in Cheftu auf wie brennende Magensäure. Sie war nach wie vor dieselbe alte RaEm. Wie konnte er nur etwas anderes geglaubt haben? Gut, in gewisser Weise war sie sanfter geworden, sie hatte sich auch in den Jahren, die sie einander nicht gesehen hatten, einige neue Angewohnheiten zugelegt, doch sie war zweifelsfrei immer noch die ränkeschmiedende, intrigante, besitzergreifende, ehrgeizige Kheft-Maid seiner Träume und Alpträume.
Bar jeder Begierde sah er sie an. »Herrin, du weißt ebensogut wie ich, daß du nur zu Thuts Harem und den anderen Frauen zählen wirst, die er bereits besitzt, solange er sich nicht dazu herabläßt, dich zu seiner königlichen Gemahlin zu erheben. Eines Tages wird Thutmosis seine Cousine Neferurra heiraten, um seinen Anspruch auf den Thron zu legitimieren. Sie wird
seine göttliche Gemahlin werden.«
Was sich da in ihren Augen zeigte, war doch bestimmt keine Überraschung über seine Worte? Doch andererseits war es durchaus möglich, daß sie in ihrer engstirnigen Gier die Ma’at und das gesamte Gleichgewicht der Schöpfung vergaß! Er seufzte. »Falls ...« Er hielt inne, weil er an ihre Fehlgeburt denken mußte. Wäre sie in der Lage, bald wieder ein Kind zu empfangen? Das wußten nur die Götter. »Falls«, wiederholte er, »du bald dicker zu werden beginnst und einen Sohn gebärst, dann könntest du möglicherweise königliche Gemahlin und damit die Mutter des nächsten Pharaos nach Prinz Turankh werden.«
Sie waren an der Tür zu ihren Gemächern angekommen. Es überraschte Cheftu nicht im geringsten, daß bis auf einen kleinen Koffer ihre gesamten Besitztümer verschwunden waren. RaEm war entsetzt. »Wie kann er es wagen, meine Sachen abzuholen, bevor ich mich überhaupt mit dieser Hochzeit einverstanden erklärt habe? Dieses Schwein! Dieses unerträgliche Männerschwein!«
»Nicht so laut, Herrin. Durch Beleidigungen wirst du dich kaum bei deinem Gemahl einschmeicheln. Bestimmt hat er das nur getan, um es dir heute einfacher zu machen.«
Noch während er
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