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Die Prophetin von Luxor

Die Prophetin von Luxor

Titel: Die Prophetin von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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werden. In diesem Moment ging Chloe auf, daß dieser Sonderfall in der ägyptischen Geschichte nie aufgezeichnet werden würde.
    Diese Plagen, diese Krise würden vergessen werden; schließlich waren sie nur ein einziges Mal geschehen.
    Die Luft drückte schwer in Chloes Nacken, als sie auf die anderen zugingen. Die Priesterinnen rieben einander mit Asche ein, um den Verlust des Angelpunktes ihrer Existenz zu betrauern: Amun-Re.
    ReShera hatte geschwiegen, seit Chloe eingetreten war; nun reichte sie das silberne Sistrum energischer als nötig an Chloe weiter. Chloe ließ ihren Verstand ein wenig von RaEm leiten und begann im Takt des Sistrums zu tanzen, mit langsamen Bewegungen ihre Muskeln dehnend, während ihr die Worte der anderen Priesterinnen in den Ohren klangen.
    »O Hathor! Rette uns aus der ewigen Nacht!
    O Herrin! Bring uns die Sonne zurück!
    Bring die Ma’at wieder ins Gleichgewicht!
    Erfülle uns mit deinem Glanz!
    Laß die Dunkelheit nicht siegen!
    Sondern bringe uns wieder zu deinem Leben!
    O Re! Kehre zu uns zurück!
    O Amun! Verlaß uns nicht!
    O Götter! Errettet uns aus der Dunkelheit!
    Laßt uns in eurem ewigen Licht leben!«
    Chloes Stimme war tränenrauh, als sie die Frauen im Kreis flehen hörte. Was als Gesang begonnen hatte, steigerte sich zu einem Heulen - verloren, schmerzerfüllt, hoffnungslos. Stundenlang sangen und tanzten sie, streuten Asche auf ihre Häupter und rissen sich an den Haaren, um die Göttin mitleidig zu stimmen, damit sie ihrerseits Re überredete, wieder zu leuchten.
    Doch die Nacht wurde nicht heller, nicht leichter. Schließlich sank Chloe, am ganzen Leib zitternd, zu Boden. Schweiß rann in Bächen über ihren Leib und vermischte sich mit der Asche zu einer klebrigen Paste. Sie fuhr sich mit der Hand durchs Haar und schob sich die Strähne aus dem Gesicht. Ihr Kopf war leer, betäubt von RaEms wachsendem Entsetzen und ihrem eigenen Mitleid für die Frauen, die sie umgaben.
    Ankhem-Nesrt sank neben ihr zu Boden. »Wir werden uns jetzt ausruhen, Herrin. Vielleicht ist es ja Nacht, und der Gott erhebt sich morgen früh wieder?« Sie legte eine warme Hand auf Chloes nacktes Bein. »Möchtest du in der weißen Kammer schlafen, Herrin?«
    Chloe wollte auf gar keinen Fall wieder aufstehen, nicht einmal, wenn man ihr ein Zimmer im Hilton versprochen hätte.
    »Nein, Schwester. Schlaf du dort, wenn du willst.«
    »Der Prinz wird heute nacht kommen, Herrin. Bist du sicher? Es ist deine Aufgabe.«
    Etwas in Ankhem-Nesrts Stimme ließ Chloe trotz ihrer Müdigkeit die »andere« um Rat fragen. Nach ein paar Sekunden urteilte sie fest: »Nein. Du mußt der Göttin dienen, Ankhem-Nesrt. Es sei denn, du wünschst, daß eine andere geht?«
    Ankhem-Nesrt brach vor Erleichterung fast zusammen.
    »Re-Shera vielleicht?«
    »Gut. Ruf sie und sage es ihr bitte«, befahl Chloe und war in der nächsten Sekunde schon eingeschlafen.
    Cheftu versuchte, seine Panik zu zügeln. Daß Chloe nicht da war, mußte nicht unbedingt heißen, daß etwas geschehen war. Zum dritten Mal in ebenso vielen Minuten schritt er durch sein Zimmer. Ehuru war da und lauschte ängstlich in die Dunkelheit. Sie hatten mehrere Fackeln angezündet; das glaubten sie wenigstens. Es machte nicht den kleinsten Unterschied.
    Das Geräusch eilender Schritte im Gang ließ ihn innehalten. Die hohe, panische Stimme eines Kindes verkündete, daß die Propheten in sechs Dekanen vor Thut und Hat (als wäre er der Ranghöhere von beiden) erscheinen würden und daß ein Kurier verkünden werde, wann der Hof zusammentrat.
    Ehuru regte sich. »Soll ich ein Bad bereitmachen, Herr?«
    Cheftu mußte unwillkürlich lachen. »Ja, Ehuru. Falls du irgendwo Wasser findest, könnte ein Bad nicht schaden.«
    Ehuru stimmte in sein Lachen ein. »Wenn mein Herr ein Bad braucht, werden wir ihm eines bereiten.« Cheftu hörte, wie die schlurfenden Schritte seines Haushälters den Raum verließen. Er blieb wie erschlagen auf seinem Stuhl sitzen. Die Hände ineinander verkrampft, beugte er sich vor. Was konnte er nur tun? Bald hatte er die Dinge nicht mehr in der Gewalt.
    Erstens mußte er für jene Vorsorge treffen, die ihm so treu gedient hatten, darunter auch Ehuru. Zweitens mußte er Chloe finden und ihr erklären, was alles vorgefallen war - und sie vor möglichen Gefahren warnen. Er mußte soviel wie möglich von seinen Besitztümern flüssig machen und Gold besorgen. Sie mußten alles für ihre Abreise vorbereiten. Mit dem Schiff? Würden sie es

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