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Die Prophetin von Luxor

Die Prophetin von Luxor

Titel: Die Prophetin von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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sahen die Ägypter tot am Ufer des Meeres liegen.< Offenbar liegen sie am anderen Ufer.«
    »Das ist doch unmöglich. Derartige Strömungen gibt es nicht«, wehrte Chloe ab.
    Sie setzte sich auf und blickte auf das blaue Wasser hinaus, das friedlich gegen das Ufer leckte. Die Anhöhe über dem Meer war von tausenden Füßen fast völlig niedergetreten: von Menschen Pferden, Gänsen, Schafen und schließlich von Pharao mit ihren Soldaten. Eine Möwe schoß mit scharfem Schrei über das Wasser.
    Man konnte bis zum gegenüberliegenden Ufer blicken, und in der morgendlichen Stille hörten sie ein leises Klingeln wie von einem Sistrum oder Tamburin. Im Geist ordnete sie die Stämme zu einem biblischen Gemälde wie von Doré oder Alma-Tadema. Gelegentlich wehte ein Lachen über die Wellen heran. Abgesehen davon waren sie in der Zeit erstarrt: nicht mehr Meneptah, D’vorah und Elishava - sondern nur Die Kinder Israels am Gestade des Roten Meeres. Flach, fast wie eine Karikatur, ohne die Lebendigkeit, Leidenschaft und den Reiz des echten Lebens.
    Beinahe liebevoll wusch das Wasser über den Strand und glättete die Felsen, die jetzt hervorstanden und in Chloes Zeit nur noch Sand sein würden.
    Wo waren die Toten? Die Rüstungen? Das Gold von den Kragen, Zügeln und Schwertern? Hatte Gott auch diesen Beweis an sich genommen? Oder lag alles am anderen Ufer, damit man es nicht wieder einsammeln und in Ehren halten konnte? Als letzte Ohrfeige für die Ägypter?
    »Eine Perle für deine Gedanken«, sagte Cheftu.
    »Ich habe es gesehen.«
    »Was?«
    »Wie sich das Meer geteilt hat. Es war, als wären alle außer mir wie verzaubert. Zu Tausenden standen die Menschen wie Schlafwandler um mich herum. Ich konnte sehen, wie das Wasser brodelnd und kochend zwei Mauern bildete. Dann hat sich der Wind gedreht und genau zwischen den beiden Mauern hindurch geweht, quer über das ganze Meer. Ich habe nicht die geringste Brise gespürt, aber ich habe gesehen, wie der Sand trocknete und die letzten Krebse in Richtung Arabien geweht wurden. Es war wie ein Luftschlauch dicht über dem Boden. Es hat die ganze Nacht gedauert; die Sterne kamen heraus, der Mond hat geschienen, und ständig hat der Wind geweht.« Sie drehte sich zu ihm um. »Er war so laut, daß ich nach wie vor kaum hören kann.« Dann sah sie wieder auf die seichten Wellen.
    »Kurz vor der Morgendämmerung sind die Menschen aufgewacht. Praktischerweise sind die am Wasser als erste aufgewacht. Sie konnten es nicht fassen!« Lächelnd erinnerte sie sich an die Familien, die ihre Sachen aufsammelten und zum Wasser hinuntergingen, um dann den Meeresboden zu beschreiten - ein Mann hatte sogar eine Handvoll Sand aufgehoben und in den Wind geworfen, wo sie sich wie Staub verteilt hatte. Kinder hatten fasziniert die Schönheit der Korallen zu beiden Seiten bestaunt, doch größtenteils waren die Menschen einfach gerannt. Die turmhohen Wasserwände zu beiden Seiten hatten den Weg überschattet. »Ich habe nach dir Ausschau gehalten«, sagte sie. »Alle waren mit ihren Familien unterwegs, also hätte es kein Problem sein dürfen, dich zu finden. Doch obwohl es immer später wurde und immer mehr Menschen an mir vorbeikamen, konnte ich dich nirgendwo entdek-ken.« Sie senkte den Blick. »Als Meneptahs Clan an mir vorbeizog, bekam ich allmählich Angst. Ich konnte nicht glauben, daß all das wirklich geschieht, und ich hatte den Eindruck, daß sich jedes einzelne Bild in mein Gehirn brennt, jedes Gesicht, jedes Detail. Dann habe ich die Armee gehört.« Cheftu setzte sich neben sie, zog sie, an den Überhang gelehnt, an seine Seite.
    »Als Hats Truppen den Abhang herunterstürmten, habe ich dich entdeckt. Ein Chaos. Reihenweise blieben die Streitwagen im Sand stecken, und die Soldaten bibberten vor Angst, als sie die Wasserwände sahen. Ich hörte noch eine Stimme rufen: >Pharao, ihr Gott kämpft für sie!< Doch sie waren diszipliniert und sind ihr gefolgt.« Cheftus Finger fuhren beschwichtigend, tröstend durch ihr Haar.
    »Es müssen Tausende gewesen sein, die meisten davon in Streitwagen. Ich fing an zu schreien, als ich sah, wie die letzten in den Sand traten, doch es war zu spät. Ihre Streitwagen brachen auseinander, ihre Pferde gerieten in Panik. Ich hörte einen lauten Donner, und plötzlich sah ich nur noch Wasserschaum und Arme und Beine und Köpfe wie von kaputten Puppen darin herumhüpfen. Und der Lärm! Das Brausen füllte meinen Kopf und übertönte beinahe, wenn auch nicht

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