Die Prophetin von Luxor
Fleisch brannte; seine Augen blieben zu, und sein Puls war nur noch zu ahnen. Die nächste Rast; die nächste Höhle. Sie brauchten eine Höhle.
Sie stand auf und sah sich um. Das Gelände änderte sich allmählich, die turmhohen Felsklippen wichen weicheren Bergen, der Boden wirkte sandiger. Sie sah einen Überhang, packte Cheftu um die Taille und schleifte ihn über eine Art Ziegenpfad hinauf. Unter dem Felsen legte sie ihn ab, rückte seinen Körper in den Schatten und wedelte ihm erschöpft mit dem Rand ihres Umhangs Luft ins Gesicht.
Sie brauchten Wasser - nicht nur die paar Tropfen, die noch in ihrem Wasserschlauch waren, sondern viel Wasser, in dem sie sein brennendes Fleisch baden konnte. Und sein Bein ... der Gestank brachte ihren Magen zum Rebellieren. Sie stützte den Kopf in die Hände. Bitte, Gott, hilf mir! Die Lider schlossen sich über ihren brennenden Augäpfeln, und sie spürte eine ganz, ganz sanfte Brise durch ihre Kleider wehen.
White Rock, flüsterte eine Stimme in ihr. Sie wachte abrupt auf. White Rock? So hieß ein See in Dallas, aber wieso mußte sie ausgerechnet jetzt daran denken?
Denk an Moses. Nicht an den Menschen, sondern an die Geschichten. White Rock ... weißer Fels.
Chloe preßte sich die bebenden Finger gegen die Schläfen. Wurde sie allmählich verrückt? Plötzlich sah sie vor ihrem inneren Auge Joseph am Tisch sitzen und über den Tanach debattieren. Moses durfte nicht ins Gelobte Land, weil er den
Fels geschlagen hatte! Joseph hatte gemeint, Moses hätte den Fels nicht schlagen zu brauchen. Man brauchte nur unter Kalkstein zu graben, und schon fand man Wasser.
Benommen richtete sie sich auf. Cheftu schlief im hitzegeschwängerten Nachmittag, sein Bein eine blutige Masse, die Haut zerkratzt, fleckig, blasig. Chloe schirmte die Augen ab und hielt von ihrem Beobachtungsposten im Hügel aus Ausschau nach einem weißen Felsen in der Nähe. Nachdem sie beide Wasserschläuche in ihrem Gürtel festgesteckt und ihren Umhang gepackt hatte, kletterte sie von ihrem Überhang wieder hinunter, bis sie auf den letzten Metern ins Rutschen kam. O Gott, dachte sie, hilf mir, den richtigen weißen Fleck zu erkennen.
Ersehnte Kühle umgab ihn, umhüllte ihn. Sie roch nach Ziege. Cheftu zuckte zusammen, zitterte und entspannte sich wieder, als er langfingrige Hände auf seinem Leib spürte. Sie spendeten Linderung, Trost, Erleichterung. Die Schwärze um ihn herum wurde dichter, und er ließ sich hineinfallen.
Chloe zurrte den nassen Umhang fester um Cheftu, obwohl der Wind durch den Wadi zu wehen begann und sie ihn bald wieder abnehmen müßte, da ihm sonst zu kalt wurde. Er glühte vor Fieber, und sein heißer Körper trocknete das Tuch in wenigen Minuten. Er war zusammengezuckt, als sie versucht hatte, die Haut um seine Wunde herum zu reinigen, und gleich darauf in Ohnmacht gefallen. Die Wunde faulte; sie mußte augenblicklich etwas unternehmen, sonst würde es zu einer Blutvergiftung kommen. Sie hatte kein Antiseptikum, keine Instrumente, keine Antibiotika. Ihr fiel nur eine Lösung ein, und die war barbarisch.
Ihr blieb keine Wahl.
Um Kraft betend, sammelte sie eine Handvoll Zunder und holte ein paar von Cheftus Kräutern heraus sowie eine ihrer
Papyruszeichnungen. Mit zitternden Händen zerfetzte sie alles zu einem kleinen Haufen und griff dann zum Feuerstein. Dann machte sie mit zunehmender Ungeduld und nervös zuckendem Magen ein Feuer.
Sie durchbohrte den Schorf und drückte die Wunde zusammen. Widerlicher Eiter quoll heraus und damit auch die Infektion, wie sie hoffte. Dann reinigte sie den Schnitt mit Wasser und seinen Kräutern und übergoß ihn immer wieder mit Wasser, bis es blaßrosa aus der offenen Stelle floß. Nur noch Blut.
Sie wickelte einen Stoffetzen aus ihrem Gewand um den Griff des Messers und hielt die Klinge ins Feuer, bis sie erst schwarz wurde und dann rot glühte. Mit tränenüb erströmtem Gesicht, aber vollends ruhiger Hand legte sie die glühende Klinge auf die frisch gereinigte Wunde. Cheftu brüllte auf, schoß hoch und fiel erneut in Ohnmacht. Den beißenden Gestank verbrannten Fleisches in der Nase, legte Chloe die Klinge auf eine andere Stelle des klaffenden Schnittes, bis die ganze Wunde kauterisiert und das Fleisch verschweißt war und heilen konnte.
Die nächste Stunde brachte sie damit zu, sich unten an der Klippe in den Sand zu übergeben. Für einen Moment hatte er die Augen aufgeschlagen, dann hatte ihn der Schmerz überwältigt, und er war
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