Die Prophetin von Luxor
gewesen, sie kennen und lieben zu dürfen. Le Dieu c ’est bon. Er biß die Zähne zusammen. Ein Segen; was für eine lächerliche Untertreibung. Sein Leib spannte sich unter den zurückgehaltenen Gefühlen an, deshalb löste er sich von Chloe und steckte die Decke unter ihr fest, damit sie auf keinen Fall erwachte. Am Fenster stehend, atmete er tief durch. Sie durfte ihn nicht so sehen. Er mußte stark bleiben - ihretwegen, um es ihr leichter zu machen.
Nachdem sie unbehelligt gegangen war, würde er heulen wie ein kleines Kind.
Nachdem sie unbehelligt gegangen war.
Cheftu saß schreibend an dem kleinen Tisch. Als sie gähnte, blickte er auf. »Gut geschlafen, Geliebte?« fragte er mit einem sanften Lächeln. Er schenkte ihr eine Schale mit Milch voll und brachte ihr das Tablett mit Gebäck.
Chloe gab ihm einen Kuß und nahm die Parfümierung entgegen. »Ja«, sagte sie. »Ich hatte gehofft, ich würde früher aufwachen.«
»Du hast Ruhe gebraucht.« Er gab ihr einen Kuß und verschluckte die Bemerkung, daß sie in bester Verfassung sein müsse, wo immer sie morgen auch aufwachen würde. »Wie geht es dir?«
»Ich fühle mich ein bißchen wundgeritten«, antwortete sie mit einem koketten Lächeln, »aber das geht vorbei.« Denn bald bin ich im zwanzigsten Jahrhundert, daheim bei Antibiotika, Spritzen und Krankenhäusern, dachte sie. Wird mir dann alles wie im Traum vorkommen? Sie schaute in Cheftus Augen: golden. Noch nie hatte sie solche Augen gesehen.
Chef tu senkte den Blick. »Ich habe dir etwas gekauft.« Er trat wieder an den Tisch.
»Ich habe dir gar nichts besorgt«, erwiderte sie. »Ich ...«
Er legte einen Finger auf ihre Lippen. »Ich wollte es für dich. Ich wollte dir das sagen.« Er fummelte an der Verschnürung des winzigen Päckchens herum und riß sie schließlich einfach ab. Darin lag ein Ring, ein makelloses, verschlungenes Band aus Gold und Silber. Er streckte eine zitternde Hand aus und hielt ihn ins Licht. Im Zentrum jedes Gliedes befand sich ein Stein in der Farbe von Cheftus Augen.
»Aii!!« rief Chloe aus, als sie die Sonne in den Steinen funkeln sah. »Assst, Cheftu!« Tränen rannen über ihre Wangen, als sie in seine roten, wäßrigen Augen aufsah.
Seine Stimme war tränenheiser. »So unendlich wie dieser Kreis ist meine Liebe zu dir, Chloe. So rein wie das Metall ist die Reinheit meiner Liebe. Wie das Silber und das Gold sind auch unsere Leben miteinander verwoben und werden für alle Zeiten miteinander verbunden sein, selbst wenn wir fortan getrennte Wege gehen müssen.« Er hob ihre Hand an und steckte den Ring auf ihren Mittelfinger, jenen Finger, der dem Herzen am nächsten ist. Er küßte ihn, preßte die Lippen darauf und atmete tief aus, während er um Beherrschung rang.
»Cheftu!« murmelte sie unter Tränen, unter Küssen. »O Gott, wie kann ich dich nur verlassen? Komm mit mir, bitte komm mit mir. Laß mich nicht allein -« Ihre Stimme brach, und sie hielten einander fest, tränenreich und voller Leidenschaft . während die Stunden verwehten.
Mara klopfte an die Tür. »Die Patienten, von denen du gesprochen hast, sind da, Cheftu«, sagte sie leise.
Augenblicklich waren sie auf und zogen sich hastig an. Mit bebenden Fingern knotete Chloe ihr Kleid fest, während Cheftu in seinen Schurz schlüpfte und ans Fenster lief. »Ich kann die Soldaten nicht sehen, aber ich höre sie. Gott sei Dank, daß Mara so loyal ist«, meinte er. Chloe band ihr Bündel um den Leib und drückte seine Hand, bis der geschenkte Ring sich in ihr verschränktes Fleisch preßte.
Mit einem Sprung und einigen gewagten Sätzen landeten sie auf der Straße und versteckten sich in der Dunkelheit. Cheftu nahm sie an der Hand, dann liefen sie los durch die nächtlichen Straßen Nophs, immer auf der Hut vor den Rekkit und durch kleine Gassen eilend, um nicht auf Soldaten zu stoßen.
Jetzt geht das schon wieder los, dachte Chloe, als sie die verlassene Straße zum Tempel-des-Kas-Ptahs mit seiner dreiundzwanzigsten Türe entlangstürmten. Frieden erfüllte sie. Sie tat das Rechte. Es war kein gutes Gefühl - um ehrlich zu sein, tat es verflucht weh -, doch sie wußte, daß sie das Richtige tat. Konzentrier dich auf die Fakten, nicht auf die Gefühle, ermahnte sie sich.
Der Tempel war leer, denn die Abergläubischen verkrochen sich an diesem Tag, dem angeblich unglücksträchtigsten im altägyptischen Kalender. Kein Wunder, daß es an einem solchen Tag nur wenige Geburten gab - die zu diesem Datum
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