Die Prophetin von Luxor
sie von ihm weg, damit sie sich auf die Rückkehr vorbereiten konnte. Sie wollte nicht gehen, aber sie wußte, daß sie nicht anders konnte - und deswegen liebte er sie um so mehr. Eine Erinnerung flatterte am Rande seines Bewußtseins herum. Was war, wenn sie nicht in ihre Zeit zurückkehrte? Wenn sie irgendwo anders landete?
»Chloe«, sagte er, »in deiner Zeit hast du rote Haare, korrekt?«
»Ja.«
»Erinnerst du dich noch an diesen Traum, den du gehabt hast? Wo du gemeint hast, deine Schwester zu sehen, und ich dachte, du hättest ganz verschwommen etwas anderes erblickt?«
»Ja«, sagte sie im Zurückweichen. »Ich wurde auf einer Rollbahre herumgeschoben, vermutlich tot.«
Cheftu wußte nicht genau, was eine Rollbahre war, doch ihr absolut regloses Schweigen verriet ihm, daß ihr derselbe Gedanke gekommen war. »Wenn das gar kein Traum war, sondern ein Blick in die Zukunft ...«
»RaEm könnte schon tot sein.«
Sie drehte sich zu ihm um, und Cheftu sah die Furcht in ihren Augen. »Ich kann so nicht zurückkehren! Ich werde mich nie wieder einfügen können, ich werde es nie erklären können.« Wieder sah sie aus dem Fenster. »Ich könnte in den Körper eines anderen eintreten! Und was hätte ich dann? Was werde ich sein? Wie soll ich beweisen, was ich weiß?« Panisch sah sie ihn an. »Ohne dich werde ich schrecklich einsam sein ...«
Cheftu legte die Hand auf ihren Arm. »Wenn es möglich ist, werde ich dir folgen.«
»Folgen?«
»Ja. Wir sind am gleichen Tag geboren. Wir sind auf die gleiche Weise hierhergekommen, wenn auch aus verschiedenen Zeiten. Ich werde mich damit beschäftigen, solange wir getrennt sind, und herauszufinden versuchen, ob es noch andere Türen gibt, und wenn ich kann, werde ich dir in deine Zeit folgen.«
»Was ist mit dem Opfer? Was ist damit?«
Cheftu zuckte mit den Achseln. »Wenn ich dir nicht folgen kann, dann soll das offenbar unser Opfer sein. Ich kann es nur versuchen; wenn Gott es uns versagt, dann habe ich keine Wahl oder?«
Ihre Hände strichen über seinen festen Körper. »Wie sollen wir einander wiedererkennen, selbst wenn wir in derselben Zeit leben? In meiner Zeit leben Milliarden Menschen auf der Erde. Milliarden ... nicht Millionen. Außerdem, woher soll ich wissen, ob du nicht als Frau zurückkommst?«
Cheftu warf den Kopf zurück und lachte. »Als Frau? Hast du Bedenken, ich könnte eine Frau sein?«
Sie runzelte die Stirn und stemmte die Hände in die Hüften. »Das ist auch nicht abwegiger als alles andere! Wieso nicht?«
»Weil ich die Seele eines Mannes habe, Geliebte!« Er küßte sie hungrig. »Ich werde immer ein Mann sein, und du bleibst immer eine Frau. Es kann nicht anders sein. Und jetzt Schluß mit diesem albernen Geschwätz.« Er zog sie an seinen Körper, schmiegte ihren warmen Leib an seinen, liebkoste die Haut, die Knochen, Muskeln und Sehnen, die er so liebte. Wie konnte er sie dauernd begehren, nachdem sie so oft zusammengewesen waren? Bestimmt hatten sie schon Chloes gesamte Eisdiele durchprobiert . und doch gab es ständig noch mehr.
Cheftu verschwand aus der Herberge, Chloes Duft noch auf seiner Haut. Mara hatte ihm die Parfümierung serviert, und jetzt trat er ins strahlende Sonnenlicht. Obwohl er den Weg zum Kai einschlug, wußte er, daß er keine Passage ins Große Grün buchen würde, wie er Chloe erzählt hatte, doch nichtsdestotrotz würde er überzeugend lange genug wegbleiben. Er schlenderte über den Hauptplatz der Stadt und bog dann in die Straße der Goldschmiede ein.
Das Armband, das er ihr zur Hochzeit geschenkt hatte, war schon sehr abgetragen, das Silber weich und nachgiebig, die
Perlen brüchig. Er würde ihr etwas kaufen. Sie hatte zwar keinerlei Schmuck mitgebracht, doch Cheftu betete, daß Gott sie sein kleines Andenken mitnehmen lassen würde. Mit gebrochenem Herzen, doch zielstrebigem Geist trat er in den Hof eines gewissen Menfe.
Der schlicht gekleidete Junge schlurfte hinter Cheftu her. Auch wenn der Große Herr die Kleidung eines Händlers trug, war er durch seine über Generationen vererbte Befehlsgewalt und Macht leicht zu identifizieren. Mehr brauchte er bis zum dreiundzwanzigsten Tages des Phamenoth nicht zu tun. Noch zwei Tage, dann würde der edle Herr an Thutmosis ausgeliefert. Und damit hätte der Junge seine erste Aufgabe als EliteLeibwächter des Pharao erfüllt.
Chloe biß in das flockende Gebäckstück und schob ihren Stein weiter. Sie streichelte Cheftus Fuß unter dem Tisch.
»Du bist
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