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Die Prophetin von Luxor

Die Prophetin von Luxor

Titel: Die Prophetin von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Frank
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beim Mittagessen beobachtet, mit höflicher, doch entsetzter Miene. Offenbar erwartete man von den »Blumen« Ägyptens grazilere Eßgewohnheiten. Aber was sollte sie statt dessen tun? Chloe konnte keinerlei Sport treiben, durfte nicht außerhalb der Tenemos-Mauern, litt unter dem ständigen Myrrhegestank und langweilte sich halb zu Tode.
    Und sie konnte immer noch nicht sprechen.
    Als Hatschepsuts königlicher Ruf sie ereilte, ruhte sie gerade im Schatten einer Sykomore, las noch ältere Gedichte und mummelte an einer Schüssel mit Feigen und Datteln. Sie fühlte sich erschöpft, ohne daß sie sagen konnte, wieso. Sie hatte sich ganz eindeutig nicht angestrengt.
    Basha eilte dem Boten voran, das braune Gesicht vor Aufregung leuchtend. »Das Große Haus ruft dich, Herrin!«
    Chloe stand auf. Pharao wollte sie sehen? Sobald sie von dem Soldaten, der sie zurückbegleiten würde, den Skarabäus als Zeichen Pharaos entgegengenommen hatte, liefen Basha und sie durch die Gärten und Gänge. Was sollte sie nur anziehen?

4. KAPITEL
    GOSHEN
    Im Audienzsaal von Avaris drängten sich die Menschen.
    Rot-Weiß uniformierte Soldaten, Retenu in langen, golddurchschossenen Roben, Kallistaener und Kefti mit ihren viellagigen Gewändern und kunstvoll gelockten Frisuren neben Kushiten in exotischen Fellen und Federn. Es war einfacher, die Fremden an diesem Außenposten weit im Norden abzufertigen, als sie nach Waset am Nil zu bringen. Überall huschten Apiru-Sklaven mit Getränken, Speisen und Fächern umher, redlich bemüht, es den Besuchern möglichst angenehm zu machen.
    Am anderen Ende des Saales wartete Thutmosis III. Horus-im-Nest, Aufgehender Re, Kind der Dämmerung, die rundlichen Züge von einer Ungeduld gezeichnet, die durch das rhythmische Klopfen seiner goldenen Sandalen auf dem polierten Steinboden noch betont wurde. Aus den Räumen um den Audienzsaal herum waren das leise Rauschen fließenden Wassers und andere Gespräche zu hören.
    Er zog die Brauen zusammen.
    Der Palast und der Audienzsaal lagen nicht von den übrigen
    Gebäuden abgesondert wie in einem zivilisierten Land. Nein, seine allerliebste viperngiftige Tante-Mutter hatte dafür Sorge getragen, daß ihm selbst die kleinsten Annehmlichkeiten versagt blieben. Hier, im Schlamm und Sumpf Goshens, mußte er ausharren, um Dispute zwischen gemeinem Pöbel oder Ausländern zu schlichten. Das Blut schoß ihm heiß durch die Adern in Anbetracht der Schamlosigkeit seiner Tante-Mutter Pharao Hatschepsut. Mit zusammengebissenen Zähnen ließ er sich auf dem Hocker nieder - einem Hocker, keinem Sessel -und winkte dem Zeremonienmeister.
    Während Thuts Titel verkündet wurden, öffneten sich die bemalten Türen, und eine Horde von Apiru drang herein, eine zusammengewürfelte Auswahl jener Sklavenrassen, die an Ägyptens Größe bauten und seine Schönheit bewahrten. An den typischen einschultrigen Gewändern erkannte er, daß diese besondere Gruppe aus Brachten bestand. Thut warf einen Blick zu der Wand hinüber, wo die ihm zugeteilten Ratgeber und Seher bereitstanden.
    Dann sah er wieder auf die Bittsteller. Es waren etwa zehn. Sie kamen immer rudelweise, fast wie Schakale, dachte er. Der Mann an der Spitze war groß, er überragte die meisten Ägypter um Haupteslänge, was von einer fleischreichen Ernährung kündete: nicht die übliche Apiru-Kost. Er trug Hemd und Schurz eines Ägypters, hatte aber beides mit einem israelitischen Umhang bedeckt, und er hatte einen zotteligen Israelitenbart, der einst schwarz gewesen, doch nun von weißen Strähnen durchzogen war. Seine dichten Brauen lagen wie gerade Furchen über den tiefliegenden, dunklen Augen, aus deren Abgrund große Liebe und großer Verlust sprachen. Die hinter ihnen stehenden Soldaten drückten die Apiru auf die Knie, denn nur vor dem Großen Haus warf man sich ganz zu Boden. Ernst sahen die Soldaten zu Thut hin.
    Dessen prüfender Blick lag nun auf dem Mann rechts vom Anführer. Er wirkte wie ein blasseres Spiegelbild des größeren
    Mannes, denn er hatte die gleiche Gesichtsform und Miene, doch ihm fehlte die entsprechende Kraft und Ausstrahlung. Zwar kam er ebenso unrasiert und abgerissen daher wie sein Begleiter, doch hatte er wenigstens den warmen braunen Blick schicklich zu Boden gesenkt. Gedankenverloren winkte Thut einem Schreiber, die Audienz zu eröffnen.
    »Wer ruft den mächtigen Horus-im-Nest an?«
    Der Begleiter erwiderte in einer angenehmen Baritonstimme: »Wir sind nur zwei der Diener Pharaos, ewig

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