Die Prophetin von Luxor
gut ist, meine edle Dame? In Waset hört man beunruhigende Gerüchte über einen unbekannten Besucher, den du gehabt haben sollst, während du der Göttin Hathor dientest.«
Pharaos Stimme war tief und kehlig und hatte einen unmißverständlichen Befehlston. Chloe errötete, als Hats Blick kurz auf ihre Füße fiel. Hatte Basha denn jedem von ihren Füßen erzählt? Chloe gab sich Mühe, keinerlei Regung zu zeigen, solange sich nicht abzeichnete, wohin das alles führen würde. »Vielleicht sind nach einem so hochgeschätzten Besuch wir übrigen deiner geistreichen Unterhaltung nicht würdig?« Diese spitze Bemerkung führte überall im Raum zu kurzem Getu-schel. Chloe lächelte bedauernd und zog die vorbereitete Papyrusnotiz aus ihrer Schärpe. Nachdem sie dem Schreiber das Schriftstück überreicht hatte, durchquerte sie die Vorderseite des Raumes, während er den Papyrus an Hat weiterreichte, damit sie ihn las.
Der ganze Palast war ein lebendes Kunstwerk, angefangen von den kushitischen Sklavenjungen, die riesige, schimmernde Fächer aus Pfauenfedern über Hats Kopf schwenkten, bis zu den schwarzen nachgezogenen Augen und obsidianschwarzen Leibern ihrer rot und gold uniformierten Leibgardisten, deren eingeölte Leiber im hereinfilternden Sonnenlicht glänzten. Unbewußt hielt Chloe Ausschau nach einem bestimmten Gesicht und entdeckte es schließlich rechts am Rand.
Lord Cheftu lehnte lässig auf seinem ibisköpfigen Amtsstab, sein Gesicht wirkte dunkel zwischen dem rot-gold-gestreiften Kopftuch und dem schweren Goldkragen. Chloe riß den Blick von ihm los, denn eben sah Hat mit grimmigem Lächeln auf.
»>Die edle Dame bittet Meine Majestät um Vergebung, daß sie hier erscheint, ohne wieder sprechen zu können, und bittet um Nachsicht, während sie sich erholte«, las sie. Wieder heftete Hat ihren schwarzen, unergründlichen Blick auf Chloe. »Ich habe auch gehört, daß die edle Dame sich morgens unwohl fühlt?«
Chloe erbleichte, und die Spannung unter den Zuhörern wuchs. »Vielleicht braucht die edle Dame mehr als Ruhe?«
Chloe lächelte unsicher. Sie brauchte die »andere« nicht, um zu erkennen, daß es nicht gut für sie aussah.
»In Meiner Majestät Güte«, verkündete Hat, »habe ich beschlossen, daß du vollkommene Abgeschiedenheit und absolute Aufmerksamkeit haben sollst, bis du in der Lage bist, mir persönlich zu erklären, daß du wieder gesund bist. Wir können die RaEmhetep-Priesterin Hathors nicht ohne Hilfe lassen.« Sie machte eine rhetorische Pause. »Ich könnte mir vorstellen, daß das Grün des Deltas dir guttun wird. Der Palast«, ergänzte sie schmunzelnd, »soll dir zur Verfügung stehen. Ebenso wie -«, sie sah zu der Gruppe von Magiern, Ärzten und Sehern hinüber, »mein Leibarzt und Hemu neter Cheftu.«
Sie lächelte ihn an, und er senkte mit undurchdringlicher Miene den Kopf.
Was als Gemurmel begonnen hatte, wuchs sich nun zu einem Tumult aus. Chloe war klar, daß sie damit so gut wie verbannt war. Was hatte sie - Moment mal, was hatte RaEmhetepet getan, daß sie sich Hats Zorn derart zugezogen hatte?
»Ich wünsche, daß die edle Dame so schnell wie möglich von ihren Bürden ... entbunden wird«, erklärte Hat mit durchdringender, beißender Stimme, dann lachte sie.
Chloe wich rückwärts zurück, mit glühendem Gesicht und sich überschlagenden Gedanken. Hastig eilte sie durch die Hallen, kletterte in ihre Reisesänfte und zog die Vorhänge fest zu. Basha konnte allein heimfinden.
Sie atmete mehrmals tief durch, um wieder zur Ruhe zu kommen. Ihr blieb kaum eine Wahl.
Trotz all ihrer Anstrengungen sah es nicht so aus, als würde sie bald wieder in ihre Zeit zurückkehren können, deshalb würde sie sich hier zurechtfinden müssen, bis sie einen Weg zurück gefunden hatte. Das Leben hier wäre gar nicht so unerträglich, wenn sie nur wüßte, womit sie zu rechnen hatte.
Wahrscheinlich würde Cammy von ihrer Erfahrung profitieren. Für Camille mußte sie sich alle Details einprägen.
Kaum daß sie wieder in Karnak eingetroffen war, eilte sie in ihr Zimmer und warf sich in einem Anfall von Verzweiflung auf ihr Bett.
»Was haben wir nur getan, daß Meine Majestät, ewig möge sie leben!, uns aus ihrem Hof verweist und uns bei dem Thronfolger wohnen läßt?«
Chloe wälzte sich herum und sah Cheftu an ihrer Frisierkommode sitzen. Das Licht brach sich in seinem juwelenbesetzten Kragen, in den Edelsteinen auf seinen Sandalen und in seinen Ringen. Sein ungezwungenes
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