Die Prophetin von Luxor
sich.
Es war eine eindrucksvolle Versammlung, die da um ihn herum feierte - die mit Gold überladenen Söhne aus vielen Gauen Ägyptens, und dazu die Blumen Ägyptens, jene atemberaubenden Frauen, die das Vermögen ihrer Mütter erben und sich nur einen Ehemann nehmen würden, wenn er ihnen angemessen war. Eine Berührung am Ellbogen lenkte ihn ab; als er sich umdrehte, sah er ein Sklavenmädchen.
An der Tätowierung auf ihrem Oberarm erkannte er, daß sie eine eingeschworene Leibdienerin Pharaos war.
»Komm mit mir, Herr.«
Er stand auf, hauchte seiner Begleiterin einen Kuß aufs Handgelenk und bemerkte, wie ihr Blick durch den Raum davonflog. Mit einem spöttischen Lächeln ging er davon und trat in einen von Pharaos Privatgängen. Die Dunkelheit wurde nur von den Fackeln der Wache stehenden Soldaten erhellt, bei denen sie jedesmal anhalten mußten. Jedesmal mußte Cheftu den Skarabäusring seines Hauses vorweisen, und die Sklavin zeigte ihre Tätowierung. Sie folgten dem gewundenen, labyrin-thischen Gang, bis sie an eine Seitentür zu Hats Gemächern gelangten. Das Mädchen öffnete die mit Gold beschlagene Tür, und er trat ein.
Es war eine kleine Feier, nicht mehr als zwanzig Menschen, doch Cheftu kannten jeden einzelnen von ihnen - es waren die mächtigsten Adligen im Land. Die, welche der goldenen Frau auf dem Thron am treuesten ergeben waren. Hat persönlich kam auf ihn zu, und er verbeugte sich, während er darauf wartete, daß sie das Wort an ihn richtete.
»Es freut mich, daß du meine Befehle befolgst, Hemu neter», sagte sie und reichte ihm die Hand. Er küßte den glatten Handrücken und sah in ihre schwarzen, lachenden Augen.
Er lächelte. »Ich lebe einzig, um dir zu dienen, Meine Majestät. Gesundheit! Leben! Wohlergehen!« Sie lachte tief und kehlig, dann hakte sie sich bei ihm ein. Er nahm von einem der Lakaien einen Becher Wein entgegen und ließ sich von ihr in den Garten hinausführen. Die Zeit des Keimens hatte eben erst begonnen, und es war kühl draußen, trotzdem schien das Zittern, das er in Pharao spürte, eher von unterdrückter Freude herzurühren.
Nebeneinander blieben sie stehen, Pharao mit zum Himmel gerichtetem Blick, während Cheftu die Kraft ihres Körpers und Geistes bewunderte - eine Kraft, wie er sie bei keiner anderen Frau gesehen hatte. Sie konnte zornig, besitzergreifend und engstirnig sein, doch sie besaß eine Leidenschaft, die alle Männer in Bann schlug, und sie war intelligenter, als man es je von einer Frau gehört hatte.
»Wie geht die Arbeit an deinem Grab voran, Cheftu?«
Einen Moment lang starrte er sie an, während sich seine Gedanken überschlugen. »Gut, nehme ich an; ich war nicht mehr dort, seit ich nach Retenu abgereist bin.«
»Vor zwei Überschwemmungen, Cheftu?«
»Jawohl, Meine Majestät.«
»Und du bist nicht zurückgekehrt, als dein Vater starb?«
»Nein, Meine Majestät. Er wurde zu Grabe getragen, ehe ich überhaupt erfahren habe, daß er gestorben war.«
»Wo ist sein Grab?«
Jetzt sah Cheftu sie offen an. »Dein Vater hatte seine Adligen eingeladen, ihm in jenem Tal Gesellschaft zu leisten, in dem Thutmosis-Osiris der Erste begraben liegt. Dem Tal der Könige. Ich möchte nicht dreist erscheinen, aber wieso fragst du?«
Sie sah freudestrahlend zu ihm auf.
»Haii! Cheftu! Ich könnte sowieso kein Geheimnis vor dir bewahren, mein Verschwiegener. Ich nehme an, die Götter wissen bereits Bescheid, was kann es also schaden, wenn du es ebenfalls weißt?«
Cheftu wartete ab.
»Mein Grab«, erklärte sie aufgeregt. »Ich baue mein Haus der Ewigkeit. Es ist so wunderschön, Meiner Majestät so würdig!«
»Ich dachte, Senmut hätte dein Grab unter dem Totentempel angelegt, den er für dich im Glanzreichsten auf dem Westlichen Halbkreis erschaffen hat?«
Hat zuckte mit den Achseln. »Genau das ist es, ein Tempel, in dem man mich bis in alle Ewigkeit zusammen mit meinem Vater Amun-Re und Hathor verehren kann. Das Grab, von dem ich spreche, soll dagegen mir allein gehören; ein Heim für die Liebe.« Das letzte Wort war ihr eben noch entschlüpft.
Wie vor den Kopf geschlagen blieb Cheftu stehen. Pharao? Baute für die Liebe? »Ich nehme an, du wirst dort nicht allein sein?«
Sie sah ihn an, und in der Dunkelheit konnte Cheftu nicht die scharfen Linien um ihre Augen und ihren Mund sehen, die sich in den Jahren des Taktierens, des Manipulierens und des Ausharrens gegraben hatten. Und doch hatte sie in diesen Jahren voller Düsternis die
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