Die Prophetin von Luxor
Gesicht war angespannt, sein safrangelber Blick herablassend.
»Du verstehst doch, oder nicht? Die Goldene verdächtigt dich, dein Gelübde gebrochen zu haben«, erläuterte er mit samtiger Stimme. Er ging auf sie zu, und aus seinem ganzen Körper sprach Verachtung. »Hat sie recht?«
Da Chloe nicht wußte, auf welchen Abschnitt ihres langen Gelübdes er anspielte, zuckte sie mit den Achseln und zwang sich, ruhig zu bleiben. Was hatte sie getan?
Cheftu setzte sich neben ihr auf die Liege und packte sie grob an den Schultern. »Nimm das hier nicht auf die leichte Schulter, mein Mondschein; dein Gelübde zu brechen ist gefährlich, manchmal sogar lebensgefährlich. Ich weiß, wie schnell du deine Beine spreizt, wenn du der Göttin nicht dienst. Vielleicht hast du dich in der Zeit vertan?«
Sein Sarkasmus ergoß sich wie saurer Regen über Chloes blankliegende Nerven.
Cheftu begann sich zu ereifern, seine Stimme klang verärgert und frustriert zugleich: »Also was ist, ja oder nein?«
Sie sah ihn an, plötzlich erschöpft und noch verwirrter. Was zum Teufel war jetzt schon wieder los?
Seine Stimme wurde lauter und skeptischer. »Wie kannst du nicht wissen, ob du in dieser Jahreszeit mit einem Mann zu-sammen warst? Ob sein Samen in dir wächst? Hat dich ein Gott oder ein Mann besucht?« Sie riß sich von ihm los, schüttelte den Kopf und hielt dann inne.
Sie hatte keinen Zugang zu irgendwelchen Informationen, die seine Anschuldigungen widerlegt oder bestätigt hätten. Chloe ließ den Kopf in die Hände sinken. Das war einfach lächerlich! Ihre Übelkeit und Müdigkeit rührten daher, daß sie nicht mehr derselbe Mensch im selben Körper war. Es waren Nebenwirkungen ihrer unglaublichen Reise durch die Zeit. Daß sie -Chloe - schwanger war, war ausgeschlossen, doch für RaEm-hetepet, erkannte sie zunehmend mutlos, galt das keineswegs. Ihr Körper sackte zusammen, und sie spürte Cheftus Hand auf ihrer Schulter.
»Wenn meine Vermutung stimmt, dann sprich mit niemandem darüber«, sagte er leise. »Diese hier sollten dir helfen« Er drückte ihr ein kleines, in Papyrus gewickeltes Päckchen in die Hand. »Weißt du, wo Phaemon ist?« Er sah ihr kurz ins verständnislose Gesicht, dann stand er auf und erklärte in normaler Lautstärke: »In zwei Tagen reisen wir nach Avaris an Prinz Thutmosis’ Palast. Dort werden wir bis zum Ende der Jahreszeit bleiben.«
Wieder sah er sie fragend an, und sie sah seine goldenen Augen in der Sonne leuchten. »Leben, Gesundheit, und Wohlergehen wünsche ich dir, Priesterin.«
Er trat durch den Vorhang und war verschwunden, und Chloe blieb allein zurück, um über diese neueste Spitzkehre in ihrem früher so geordneten Leben nachzusinnen.
Die Nacht war dunkel und das Haus der Toten unverriegelt, denn ein Schloß war nicht vonnöten. Kein Ägypter würde einen so heiligen Ort entweihen. Der Mann trat lautlos aus den Schatten und winkte dem bärtigen Diener, ihm zu helfen. In dem langen, schmalen Raum lagen Reihen von Leichen, jede in einem anderen Stadium der Einbalsamierung, auf einzeln stehenden Steinbahren, damit den Priestern genug Platz für ihre Arbeit blieb. Sie widmeten sich tagsüber den Leichen und entnahmen die Organe: erst das Gehirn, dann, nach einem Bauchschnitt, alle Eingeweide, abgesehen vom Ab, dem Herzen.
Der Geruch nach Weihrauch und Bitumen war ekelerregend, und der Mann fragte sich, ob er ihn je wieder aus seiner Nase und seiner Brust bekommen würde. Der bärtige Diener, dem seine Religion verbot, einen Leichnam zu berühren, folgte dichtauf. Sie hatten keine Wahl. Dafür hatte ein unerwartetes Versprechen auf dem Totenbett gesorgt.
Der Leichnam befand sich wahrscheinlich nicht mehr hier; sie gingen weiter in einen zweiten Raum. Ätzender Natrongestank schlug ihnen entgegen, und der Mann schmeckte sein vor Stunden verzehrtes Abendessen im Mund. Dicht nebeneinander standen tiefe Kisten mit dem teuren Trockensalz, das die Leichen darin vollkommen bedeckte, um das Fleisch auszutrocknen und haltbar zu machen.
Eilig schlichen sie zum Mumienraum weiter.
Hier müßte sich der Leichnam befinden, mitsamt den intakten Organen, und zwar nachdem er einige Zeit in Natron gelegen hatte, damit das menschliche Fleisch nicht verrottete. Der Mann drehte sich zur Seite, zündete seine Fackel an und beleuchtete damit die in hieratischer Schrift angebrachten Namen der Bewohner dieser Mumienwelt. Er blieb stehen. Der Leichnam war hier. Unter leise gemurmelten Gebeten hoben er
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