Die Prophetin von Luxor
konnte. In der Ecke gegenüber sah sie noch einmal ihren Namen, und dazu einen Durchgang, der sich zu der Hieroglyphe für »Nachwelt« öffnete. Adrenalin pumpte in Chloes Adern, und sie kniff die Augen zusammen, um die Zeichnung oberhalb des Durchgangs zu erkennen. Enttäuscht ließ sie den Kopf zurücksinken: nur weitere Sterne.
Doch darunter stand etwas, das wie eine Art Formel aussah. Es war eine Folge von Variationen ihres Namens: RaEmhete-pet, ReEmHetp-Ra, mes-bru-mesat Hru Naur Raem Phame-noth, AabtPtah ... Sie übersetzte. »Elf Uhr abends, dreiundzwanzig nach Sonne, Wiegenfest dreiundzwanzig mal drei, im Verlauf des Ptah im Osten ...« Aber das Ende fehlte. Völlig vergessend, wo sie sich befand, faßte Chloe nach dem Beckenrand, stemmte die schlammigen Hände auf den Rand und versuchte, sich aufs Trockene zu ziehen. Der Schlamm saugte an ihrem Leib, und sie biß die Zähne zusammen, um das letzte bißchen Kraft aus ihrem untrainierten Körper zu holen. Sobald sie die Hüften freibekommen hatte, flutschte sie aus der Masse wie ein Korken aus einer Flasche.
Schlammstapfen hinter sich herziehend, tappte sie auf die Ecke zu, um die übrigen Glyphen zu entziffern, die im Lauf der Zeit unlesbar geworden waren. Cheftus Ruf ließ sie zusammenfahren, und sie drehte sich um. Anubis und Sechmet kamen mit einem ausgebreiteten Leintuch auf sie zu, laut und fast bedrohlich betend. Sie schlugen Chloe von Kopf bis Fuß in das Laken, ohne sie auch nur einmal zu berühren. Dann wurde Chloe zu Cheftu geführt, der jetzt vor der Weihrauchschale kniete und wie in Trance wirkte. Einige Fackeln waren erloschen, und Weihrauchnebel wehte zur Decke auf. Die Atmosphäre war düster, irritierend und befremdend.
Chloe spürte, wie ihr das Herz im Halse schlug.
Sie drehte sich um, weil sie den Rest des Satzes lesen wollte, etwas über ein »Gebet . was? . im dreiundzwanzigsten Durchgang um dreiundzwanzig von RaEmhetepet.« Chloe überflog die Schriftzeichen erneut und prägte sie sich ein - sie würde sich später das Gehirn darüber zermartern müssen. Anubis packte sie am Kopf und zwang sie, zu Cheftu und jetzt auch Sechmet hinzusehen. Cheftus Blick war vollkommen leer. Die Löwinnengöttin fuhr sich mit der Zunge über die Lippen und entblößte dabei einen silbernen Gebißeinsatz mit langen Reiß-zähnen. Chloe wich zurück, doch Anubis’ massiver Körper hielt sie fest. Sechmet streckte die Hand aus, und Chloe sah, daß ihre Finger wunderschön waren, mit langen, roten Nägeln, doch als die Frau die Handfläche nach oben drehte, um Chloes Hand zu fassen, zuckte Chloe zurück. Auf Sechmets Handgelenk sah sie die aufgemalten Hieroglyphen für Rache, Zorn und Gerechtigkeit prangen.
Cheftu beugte sich vor, um ihr ins Ohr zu flüstern: »Gib ihnen deinen Arm, RaEm. Sie machen dir nur ein Amulett. Es wird nicht lange weh tun.« Er klang müde und ein wenig gereizt. Chloe streckte den Arm aus und spürte, wie Cheftu ihr Handgelenk mit einem Leinenhandschuh packte, damit er sich nicht schlammig machte oder sie nicht zu berühren brauchte -was davon zutraf, vermochte Chloe nicht zu sagen. Sechmet senkte den Kopf, stieß ihre Zähne in Chloes Handgelenk und riß das Fleisch zur Seite weg. Chloe wurde es augenblicklich schwindlig, als sie ihr Blut aus der Wunde quellen und gleich darauf in eine flache Lehmschale fließen sah, die sich durch den Druck auf Anubis’ Händen auf ihre Schultern und ihren Oberarm noch schneller füllte.
Cheftu schlug einen Leinenverband um ihr Handgelenk, und Chloe schloß die Augen, um das Gleichgewicht wiederzufinden. Es tat nicht weh. Noch nicht. Das bizarre Dreigespann führte sie an den Altar, wo Cheftu ihr Blut mit etwas Schlamm aus dem Becken mischte. Er strich die Mischung in eine Ska-rabäus-Form, die er am Rand des Weihrauchtisches ablegte. Die »Götter« waren verschwunden. Chloe drückte sich die Hand auf die Stirn. Ihr war immer noch schwindlig.
»Meine Herrin«, sagte Cheftu und deutete auf einen abgeteilten Bereich, »geh dich waschen und anziehen. Ein letztes Ritual steht noch aus.« Chloe stolperte hinter die Trennwand und sah ihr Gewand säuberlich über einen Korb gefaltet liegen. Es gab keine Sitzgelegenheit, also lehnte sie sich einen Moment an die Wand. Dieser ständige Weihrauchgestank machte ihr
Kopfweh. Sie sah nirgendwo Wasser, doch als sie sich mit dem Leintuch abrubbelte, entdeckte sie, daß der Schlamm über der öligen Weihrauchsalbe problemlos abging.
Sie legte erneut ihr
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