Die Prophetin von Luxor
wunderschönen und scheinbar so tugendhaften Frauen aus den allerbesten Familien. Trug irgendeine von ihnen ein ähnliches Geheimnis in ihrem Leib? Sie bezweifelte, daß es im alten Ägypten eine Entbindungsklinik gab, wo sie anonym gebären konnte. Sie hielt sich an der Bootsreling fest und beobachtete, wie eine der vielen dressierten Katzen in den Sumpf sprang und einen Vogel apportierte, den Thuts Stock gefällt hatte.
Chloe rüttelte sich auf und beobachtete, wie ein Vogel nach dem anderen aus dem Himmel geholt wurde - immer weniger im Laufe des Tages und mit zunehmendem Alkoholpegel der Jäger. Cheftu amüsierte sich königlich; er lag mit dem Kopf im Schoß von Sieben, während Zehn seine Füße streichelte. Chloe kam sich vor wie unsichtbar. Also gut, sie war eifersüchtig. Und einsam. Knochenmalmend, herzzerreißend einsam. Wann würde sie endlich heimkehren können? Sie würde alles darum geben, wieder unter Cammys miserablem Farbsinn zu leiden und Mutter zuzuhören, wie sie sich über irgendeine Neuerwerbung ausließ oder über jene Technik und ach! dieses phantastische Wasweißich deines Vaters . alles, was Vater anpackte, war in Moms Augen phantastisch. Zu sehen, wie Vater seine Pfeife stopfte .
Das Grünblau des Nils verschwamm vor ihren Augen.
Chloe spürte eine warme Hand auf ihrer Schulter.
Thutmosis stand hinter ihr. »Ich hoffe, daß du heute abend mit mir speist, silberne Herrin. Es ... wir hatten keinen guten Anfang miteinander. Ich würde mir wünschen, daß du mir Gelegenheit gibst, alle falschen Eindrücke auszuräumen, die du bekommen haben magst.« Chloe fühlte sich gerührt von der für ihn strapazierenden und demütigen Rede, die er mit all dem Charme vorgetragen hatte, dessen er mächtig war.
»Ich würde mich überaus geehrt fühlen, Prinz«, log sie. Eine Weile standen sie verlegen schweigend nebeneinander, bis der Lärm einiger Frauen, die sich zum Umkleiden zurückzogen, Chloe die Gelegenheit gab, auf die sie gewartet hatte. Sie mischte sich unter diese delikaten Blumen der ägyptischen Gesellschaft und wechselte auf das zweite Boot, wo man Leinenvorhänge gespannt hatte, damit sich die Frauen umziehen konnten. Ihr entging nicht, daß die Vorhänge nur zu gut erahnen ließen, was dahinter vorging, und sie merkte auch, daß die Männer auf Thuts Boot sich plötzlich weniger für die Jagd als vielmehr für das Zuschauen interessierten. Was wahrscheinlich der Zweck des ganzen Manövers war.
Die sieben Hathors versammelten sich, und Chloe fiel auf, daß sie, abgesehen von den notwendigsten Mitteilungen, so gut wie nie miteinander sprachen. Im Gegenteil, die Gruppe wirkte ausgesprochen angespannt, und in der Luft lag eine Feindseligkeit, die man mit dem Wurfstock hätte schneiden können.
Als Chloe endlich umgezogen war, ging es in ihrem Kopf drunter und drüber. Sie faßte nach ihrer Kette und drückte sie mit aller Kraft. Es war das einzige, was in ihrem Leben unverändert geblieben war. Und doch hatte auch die Kette sich verändert. Sie sah an sich herunter. Das Bild der braunäugigen Chloe sprang ihr vor Augen. Eine braunäugige Chloe mit einem Ankh-Anhänger an einer silbernen Kette, auf dem ebenfalls RaEmphetepet stand. Sie ließ den Ankh an seiner Mala-chit-Lapis-Perlenkette auf ihre Brust fallen. Er sah aus wie ih-rer, aber es war RaEms. Ihre eigene Halskette war verschollen, genau wie ihr ganzes Leben. Ersetzt durch ein unvollständiges Abziehbild der Wirklichkeit.
Sie kehrte mit den übrigen auf die Barke zurück, wo das Fest stattfand. Auf dem Deck war alles wie für eine Theateraufführung vorbereitet, auf der einen Seite saßen die Damen, auf der anderen die Edelmänner. In der Mitte hatte man eine runde Fläche für Thuts viele Gaukler freigeräumt. Über das gesamte Boot waren Lotosgirlanden gespannt, und alle Gäste bekamen eine blaue Lilie zu ihrem Kostüm gereicht. Wie die meisten anderen Frauen trug Chloe ihre in der Perücke, und zwar so, daß der Blütenkelch direkt über ihre Stirn hing und sie die ganze Zeit den Duft einatmete.
Auf kleinen Tischchen warteten Körbe mit Obst und Blumen, und über den Köpfen der Zuschauer erhoben sich zauberhaft gemalte falsche Säulen, so daß man sich in einem Säulengang wähnte, der über den Nil trieb. Chloe fiel auf, daß man zwischen den Säulen Wassersäcke in der Luft aufgespannt hatte, und die »andere« erklärte ihr, daß damit die Moskitos abgehalten werden sollten.
Lichtschalen spiegelten ihren Schein in
Weitere Kostenlose Bücher