Die Prophetin von Luxor
metallenen Becken, und der Wind ließ die Schatten über dem Gefolge und dem stillen Wasser hin und her schießen. Hoch über ihnen prangten die Sterne, deren Funkeln sich im Nil brach und damit die Nacht doppelt erglänzen ließ.
Perücken tragende Sklavinnen mit strategisch geschickt umgehängten Perlenschnüren schritten zwischen den Gästen hindurch und verteilten Kegel mit Duftwachs, die man sich auf den Kopf setzte. Im Lauf des Abends würde das Wachs schmelzen, so daß der Duft in die Perücken und auf die Kleider tropfte und den wichtigsten aller ägyptischen Sinne reizte, den Geruch. Chloe fand das Gefühl eklig - lange, fettige Finger, die über ihren Nacken glitten und dann weiter über ihre verschwitzte Haut rannen - doch da sie an diesem Abend eine
Galaperücke trug, war ihr die Sauerei ziemlich gleichgültig.
Alles roch: das Parfümwachs, die Blumensträuße, die man an allem befestigt hatte, was einigermaßen ruhig blieb, der Schweiß der herumeilenden Apiru und der erregten Gäste, der Wein, das Bier und vor allem der Gestank der Nilmarschen. Chloe wurde es von neuem übel.
Jeder Gast hatte einen gläsernen Kelch. Junge Burschen mit rasierten Körpern und Bändern in ihren Jugendlocken schlängelten sich durch die Gesellschaft und füllten die Gläser mit Dattelwein oder Bier. Nach etwa drei Schluck des unerwartet kräftigen Weines spürte Chloe, wie ihre schwere Perücke noch schwerer wurde und ihr Magen sich protestierend zusammenzog. Zwar war sie halb am Verdursten, doch gab es kaum etwas anderes zu trinken, deshalb gab sie sich damit zufrieden, immer wieder Wasser nachzuschenken.
Plötzlich verstummte die Menge.
Thuts Auftritt wurde angekündigt, und wie alle Gäste kreuzte auch Chloe den Arm vor der Brust. Sobald Thut seinen Platz eingenommen hatte, huschte ein Sklave zu Chloe herüber, um sie einzuladen, Horus-im-Nest Gesellschaft zu leisten. Überrascht stellte sie fest, daß der Sklave kein Ägypter war, sondern einer fremden, hellhäutigeren Rasse angehörte. Man hatte ihn einfach dunkel angemalt, damit er ägyptischer aussah. Die Vorstellung begann. Chloe spürte, wie ihr Leib sich unwillkürlich zum Schlag des Sistrums und dem Klagen der Doppelflöte zu wiegen begann.
Sie schenkte Thut ein unsicheres Lächeln, als er sich vorbeugte und ihr eine Lotosblüte ins Gewand steckte, genau zwischen ihre Brüste. Dann traten die Tänzerinnen auf, die in einem Orkan von Düften und nackter Haut herumwirbelten und in deren juwelenbesetzten Gürteln und Kragen die Fackeln funkelten. Es waren keine Ägypterinnen; verdutzt bemerkte Chloe, daß die Truppe von einer Rothaarigen angeführt wurde, die ihr langes Haar in Tausende winzige Strähnen geflochten hatte. Die Tanzenden kreiselten wie die Derwische, sprangen übereinander weg und hüpften hoch in die Luft. Die »andere« erkannte sie als Kefti. Dann wurde der Tanz langsamer. Als sich das Wirbeln in ein verführerisches Wiegen verwandelt hatte, fiel Chloe auf, daß so gut wie alle Gespräche verstummt waren und daß eine ganze Reihe von Parfümkegeln zu schmelzen begonnen hatten. An ihrer Seite hörte sie Thuts schweres Keuchen, der sich keine Bewegung der Rothaarigen entgehen ließ.
Nur Cheftu konnte Chloe nirgendwo entdecken.
Sie tat so, als wäre ihr das gleich, und versenkte sich in die kunstvollen Bewegungen des Tanzes wie in die tiefen Klänge der Harfen. Erneut steigerten die Tänzerinnen das Tempo, und die Zuschauer, Chloe eingeschlossen, klatschten im Takt dazu.
Schließlich sanken die Mädchen vor Thut in einer eleganten Verbeugung nieder, mit schwer gehendem Atem nach dem anstrengenden Tanz. Die Zuschauer jubelten ihnen begeistert zu, und zwar ganz besonders, als die Rothaarige nach vorne gewinkt wurde und Thut ihr einen Ring von seinem Finger überreichte.
Sie war eine winzige Person, dachte Chloe, gerade einmal einen Meter fünfzig groß, und das meiste davon verschwand unter ihren flammendroten Zöpfen. Als das Mädchen kurz zu Horus aufblickte, erkannte Chloe, daß ihre braunen Augen unter schweren Wimpern verborgen lagen - und daß sie Horus mit jedem Knochen ihres feingliedrigen Leibes haßte. Augenblicklich senkte die Tänzerin den Blick wieder und verbeugte sich nochmals, doch da hatten zwei von Thuts Edelmännern bereits einen Blick miteinander getauscht und die Hand an ihre Dolche gelegt. Einige der Mädchen wurden auf verschiedene Schöße gezogen, während sie durch das Publikum hindurch von der Bühne abgingen. Die
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