Die Prophetin von Luxor
nicht klar, daß du heute morgen, ähm, indisponiert sein würdest.«
Chloe senkte den Blick. Sie trug ein kurzes Nachthemd, und das Haar stand ihr in struppigen Büscheln vom Kopf ab. Der Wunsch, Cheftus offensichtliches Vorurteil zu widerlegen, sie würde den ganzen Tag nur zetern und in Ohnmacht fallen, war übermächtig.
»Es geht mir ausgezeichnet, Herr, und ich würde sehr gern einen solchen Ausflug machen. Wenn du nur ein paar Minuten warten möchtest, dann werde ich mich umziehen und dir Gesellschaft leisten.« Sie trat zurück, um ihn hereinzulassen, und bemerkte zufrieden seine überraschte Miene, die er augenblicklich zu verbergen suchte. Nach einer Sklavin klatschend, ging sie ihm voran.
»Sieh zu, daß dem Herrn die Parfümierung serviert wird«, befahl sie, »und laß mein Bad ein.« Mit einem ihrer Meinung nach einzigartig huldvollen Lächeln ließ Chloe Cheftu auf dem zierlichen Weidenstuhl Platz nehmen, während sie in ihr Schlafzimmer eilte, entschlossen, der bereits eingeschüchterten Basha den Hals umzudrehen.
In Rekordzeit für eine ägyptische Adlige kehrte Chloe in den Wohnraum zurück. Cheftu erhob sich, von neuem überrascht.
»Herrin ...?«
Chloe setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber und bat ihn, wieder Platz zu nehmen. »Auch ich muß etwas essen. Bitte leiste mir dabei Gesellschaft.« Schweigend vertilgten sie knusprige Brötchen und saftiges Obst. Lediglich die frische Milch, die Cheftu ihr anbot, wies Chloe schaudernd zurück.
Immer wieder sah er sie verstohlen an. Chloe mußte sich ein Grinsen verkneifen. RaEm war kaum jemals vor dem Mittagessen aufgestanden, das wußte sie. Sie brauchte mindestens zwei Stunden zum Anziehen. Den Rekord habe ich mit links geschlagen, dachte sie, und kaute triumphierend drauflos.
Cheftu war überrascht. Sei ehrlich, sagte er sich, du bist überrascht. Der Prinz hatte RaEms Teilnahme gewünscht, und Cheftu hatte erwidert, die Sache sei hoffnungslos, aber er würde dennoch fragen. Vorausgesetzt, sie würde nach dem gestrigen Tag überhaupt noch mit ihm sprechen. Bei der Feder, was hatte sie ihm für eine eigenartige Frage gestellt!
Als er vor ihrer Tür gestanden hatte, hatte RaEm ihm persönlich geöffnet, allem Anschein nach direkt von der Liege eines Geliebten aufgestanden, und ihn wissen lassen, daß sie mitkommen würde. Dann war sie, nur ein paar Minuten später, strahlend wie die Sonne selbst wieder ins Zimmer getreten, in einen kurzen Schurz gekleidet, der über ihren schlanken, wohlgeformten Beinen schwang, sowie ein Leinenhemd, in dem sich eine Bescheidenheit ausdrückte, wie er sie lange nicht mehr an RaEm festgestellt hatte. Eine Bescheidenheit, die er ganz eindeutig anziehend fand.
Sie beendete ihr Mahl und starrte hinaus in den Garten, die Beine übereinandergeschlagen und mit einer Sandale wippend. Sie trug keinerlei Schmuck in ihrem kurzen Haar, und abgesehen von etwas Bleiglanzpulver um ihre Augen war sie ungeschminkt. Sie war attraktiver, als Cheftu es sich je ausgemalt hätte.
»Eine Perle für deine Gedanken«, sagte er leise.
Ein bittersüßes Lächeln huschte über ihre Lippen. »Meine Familie.«
»Hast du etwas von Makab gehört?«
»Makab?« Sie sah ihn überrascht an. »O nein. Er ist kein großer Briefeschreiber«, erwiderte sie schnell.
Zu schnell, dachte Cheftu und runzelte die Stirn. Der Makab, den er kannte, schrieb ausgesprochen oft. Er sah zu, wie sie ein paar Datteln verspeiste und dabei mit langen Fingern elegant die Kerne herausschälte - irgend etwas paßte einfach nicht zusammen. Ihre Fragen, ihre Marotten, ihre Bewegungen, ihre Einstellung. Haii, heilige Isis, ihre Küsse!
Die Wirkung, die sie auf ihn hatte, war vernichtend. Er kam sich vor wie ein grüner Junge, nervös und verunsichert. Ihm war wichtig, wirklich wichtig, was sie dachte. Bei den Göttern! War er wahnsinnig? Er wußte doch, was für eine Frau sie war. Sie langweilte sich und saß in der Verbannung, und natürlich würde sie seinen Wünschen nachkommen, wenn er es darauf anlegen würde; sie konnte es nicht ertragen, allein zu sein. Doch sobald sie wieder in ihrer gewohnten Umgebung war, würde sie erneut die Krallen ausfahren. Vergiß das nicht, alter Narr, schalt er sich selbst. Sie wäre keine gute Schwindlerin, wenn sie dich nicht hinters Licht führen könnte.
Der Ausflug fand zu Ehren der sieben Hathor-Priesterinnen statt. Sie verließen nur sehr selten Waset oder ihre HeimatGaue. Außerdem feierte man dadurch die Rückkehr des
Weitere Kostenlose Bücher