Die Prophetin
darauf, wo der
›Schatz‹ vergraben war. Die Photos und die Originale halfen den anderen, das Versteck aufzuspüren. Julius dagegen stand mit leeren Händen da.
Er ging unruhig in seinem Büro auf und ab und rief sich den regnerischen Nachmittag ins Gedächtnis, als Catherine unerwartet aus Ägypten zurückgekommen war und ihm die alten Papyri gezeigt hatte. Plötzlich fielen ihm wieder ihre Worte ein: ›Sabina rät Amelia, die siebte Schriftrolle einem König zu geben, falls man sie verfolgen würde…‹
Julius rieb sich die Stirn und den Nacken, um das Blut besser zirkulieren zu lassen. Er hoffte, seine Erinnerung werde sich bei ruhiger Konzentration lückenloser einstellen. Er schloß die Augen und stellte sich die alten Bücher vor, so wie er sie auf dem Sofatisch in seinem Haus gesehen hatte. Catherine entfaltete einen Papyrus und beugte sich über den Text, der an manchen Stellen kaum lesbar, an anderen jedoch wieder verblüffend deutlich war. Ihm war ein Name aufgefallen. Wessen Name? Es war nicht der Name des Kö-
nigs… Er griff nach der Zeitung und las noch einmal die Übersetzung. Dabei achtete er auf die Namen: Amelia, Perpetua, Sabina. Natürlich wäre es einfach, die Kataloge der Archive nach Schriftrollen zu durchsuchen und zu überprüfen, ob er die Namen in griechischen Texten dieser Zeit fand. Allerdings würde selbst ein Computer für diese Art Suche viel Zeit brauchen. Julius fürchtete, daß Catherine nicht viel Zeit blieb.
Wenn er sich doch nur an den Namen erinnern könnte, den er im Originaltext gelesen hatte. Das wäre wenigstens ein Anfang… Julius ging zur Tür seines Büros und wollte sie öffnen. Aber er blieb unsicher stehen. Wohin sollte er gehen? Er konnte unmöglich so tun, als beginne ein ganz normaler Arbeitstag. Inzwischen trafen die Mitarbeiter des Instituts ein. Alle hatten die Zeitung gelesen. Jeder von ihnen wußte, daß Julius und Catherine verlobt waren. Man brauchte nicht viel Phantasie, um sich das Gerede und die Fragen vorzustellen. Möglicherweise mußte er auch mit höflichem, aber peinlichem Schweigen rechnen, und das wäre noch schlimmer.
Er hätte nicht ins Institut kommen dürfen, und er sollte schnellstens etwas unternehmen, um Catherine zu helfen. Aber was, um alles in der Welt?
Julius verfluchte im stillen die Lage, in die er geraten war. Seufzend trat er ans Fenster und blickte hinaus.
Die Weihnachtsbeleuchtung auf dem Wilshire Boulevard brannte schon am frühen Morgen. Normalerweise schaltete sich die Beleuchtung erst bei Einbruch der Dunkelheit ein. Der Nebel täuschte offenbar die Sensoren… Fabianus…
Julius holte tief Luft. Das war der Name! ›Fabianus‹. Er drehte sich um und ging zu der Bücherwand gegenüber. Wer war ›Fabianus‹? fragte er sich und überflog die Titel der Bücher.
War es Sabinas Vater oder ein Mann, den sie geheiratet hatte? Vielleicht war er der König, dem man die siebte Rolle anvertraut hatte…
Julius schüttelte den Kopf. Er hatte nicht die Zeit, alle diese Bücher durchzusehen. Er setzte sich an den Schreibtisch, startete den Computer und dachte dabei an die verfügbaren Suchprogramme: Lycos, InfoSeek, OmniSearch… Mrs. Meritites…
Er kniff die Augen zusammen und nickte. Natürlich hatte Cathy deshalb den Namen der Mumie gewählt, als sie ihm auf dem Anrufbeanworter die seltsame Nachricht hinterließ. Der Name sollte ihn an die Intrigen im vergangenen Jahr erinnern und an den Konkurrenzkampf, den die Untersuchung der Königin ausgelöst hatte, als ein Kollege das Telefon von Julius angezapft hatte!
Er runzelte die Stirn. Weshalb glaubte Catherine, jemand überwache sein Telefon und seinen Computer?
Wer würde so etwas tun und aus welchem Grund?
Verwirrt blickte er auf den blinkenden Cursor und schaltete den PC wieder aus. Er seufzte und dachte gereizt: Wie soll ich ohne Computer nach der siebten Schriftrolle suchen? Die Zeitung auf dem Schreibtisch erinnerte ihn daran, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis die Journalisten oder die Polizei bei ihren Nachforschungen auch auf ihn stoßen würden. Aber er wollte zum jetzigen Zeitpunkt unter keinen Umständen eine Aussage machen. Er wollte nicht lügen. Und dazu würde man ihn mit direkten Fragen zwingen. Wie konnte er das zumindest so lange hinauszögern, bis er Zeit gehabt hatte, alles noch einmal in Ruhe durch-zudenken?
Er stand auf, zog sein Jackett an und verließ entschlossen das Büro. Eilig ging er durch die langen Gänge und hinterließ am
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