Die Prophetin
denn er hatte den Zugriff auf alle Informationen. Das Wissen bestimmte seine Entscheidungen. Es war der Schlüssel für seine Stärke, seine Überzeugungskraft, seinen Weitblick. Er würde auf seine Weise Herrscher der Welt sein.
Der Jet landete, rollte zum Ende des Flughafens, wo Privatflugzeuge und die Maschinen der kleinen Fracht-fluglinien abgefertigt wurden, und erreichte die Parkposition. Der Flugbegleiter öffnete die Kabinentür und ließ die feuchte Brise in das Flugzeug. Kurz darauf meldete er, daß die Kontaktperson eingetroffen sei.
Miles blickte aus dem Fenster und sah einen glänzenden schwarzen Mercedes mit geschlossenen getönten Scheiben. Der unsichtbare Fahrgast auf dem Rücksitz war, wie Miles wußte, Aki Matsumoto – ein reicher Mann mit blasser Haut und traurigen Augen. Er trug immer schlecht sitzende Anzüge, die nichts von den vielen Millionen verrieten, die er in der Elektronikbranche verdiente. Matsumoto seinerseits ahnte nicht, wer ihn hierher gebeten hatte. Bei solchen Geschäften wahrte Miles stets seine Anonymität. Sein Anwalt hatte die Begegnung mit Matsumoto vorbereitet. Miles war aus diesem Grund auch nicht mit dem Firmen-jet mit dem Logo des Konzerns an der Seite gekommen, sondern mit seiner weißen Privatmaschine, die keine Identifikationsmerkmale trug.
Miles reichte wie abgesprochen dem Flugbegleiter einen Briefumschlag. Der Mann ahnte nicht, daß sich in dem Umschlag Aktphotos von Aki Matsumotos vierzehnjähriger Tochter befanden. Der Flugbegleiter verließ das Flugzeug, näherte sich der Limousine und überreichte dem Chauffeur den Umschlag.
Miles hatte Aki Matsumoto vergeblich eine großzügige Summe für das Fabiana-Dokument angeboten.
Deshalb griff er jetzt zu einer anderen Art Währung, die Matsumoto, wie er vermutete, für sein Angebot zugänglicher machen würde. Er sah, wie der Chauffeur das Wagenfenster öffnete und den Umschlag entge-gennahm. Kurz darauf wurde dem Flugbegleiter im Austausch ein anderer Umschlag herausgereicht, den er sofort ins Flugzeug brachte.
Miles saß noch in dem bequemen taubengrauen Ledersitz und zog aus dem steifen Umschlag das Dokument und das Echtheitszertifikat, das bestätigte, daß das Pergament aus dem Jahr 586 n. Chr. stammte.
Nach einem kurzen prüfenden Blick reichte er dem Flugbegleiter einen zweiten versiegelten Umschlag, der die Negative der Photos enthielt, die in dem ersten Umschlag gewesen waren.
Während die Übergabe an der Limousine schweigend stattfand, suchte Miles in dem Dokument bereits nach den wichtigen Worten, die er inzwischen gelernt hatte zu erkennen – Amelia, Perpetua, Sabina, Philos…
Er entdeckte keinen der Namen. Das Wort ›Fabiana‹ dagegen stand deutlich lesbar unten auf der ersten Seite, wo der Text mitten im Satz abbrach. Mit großer Behutsamkeit legte er den brüchigen Papyrus auf den Scanner und faxte den Text mit dem handschriftlichen Zusatz nach Kairo, wenn er wieder zu Hause sei, werde eine besser lesbare Photokopie folgen. Der Mercedes rollte davon, und der Flugbegleiter kam zurück an Bord. Da die Maschine noch aufgetankt wurde, beschloß Miles, sich draußen etwas Bewegung zu gönnen. Er blickte in die Tropensonne und freute sich über die gelungene Transaktion. Er fand wieder Gefallen an der Jagd nach den Schriftrollen. Die Polizei hatte Catherine Alexander identifiziert, und die Zeitungen sorgten dafür, daß sie jetzt praktisch eine Gefangene war, denn sie konnte kaum etwas tun, ohne Gefahr zu laufen, daß man sie erkannte. Damit hatte Miles sie dort, wo er sie haben wollte – ihr blieb nur noch das Internet für ihre Suche.
Das Blatt hatte sich gewendet. Seine Chancen, die siebte Rolle vor ihr zu finden, waren eindeutig wieder besser. Als Miles zwei junge Einheimische in der Nähe des Hangars sah, in dem die Maschinen gewartet wurden, winkte er den Flugbegleiter zu sich. Er gab dem Mann hundert Dollar mit den entsprechenden Anweisungen und ging in die Maschine zurück.
Der Flugbegleiter erschien genau in dem Augenblick, als der Pilot Miles meldete, daß sie abflugbereit seien. Miles schnallte sich zum Start an, dann betrachete er, was der Mann für ihn gekauft hatte. Beim Anblick des Zehn-Dollar-Preisschilds lächelte Miles.
Die beiden Jungs hatten sich das Taschengeld verdient, denn sie waren zu dem Souvenirladen in der Ab-flughalle des Flughafens gerannt, um für ihn etwas zu besorgen. Miles hob das Muschelhalsband ans Fenster und freute sich. Niemals kam er von einer Reise ohne
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