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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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etwas mit Garibaldi zu tun zu haben. Seit er gegangen war, beschäftigte sie sich beinahe ununterbrochen mit ihm.
    Catherines Nervosität wuchs, und sie schaltete den Fernseher ein, weil sie hoffte, eine tröstende menschliche Stimme zu hören. Statt dessen wurden die Spätnachrichten mit der Schlagzeile angekündigt, die für sie wie eine Ohrfeige war: ›Gestohlene Schriftrollen als ein Werk des Antichrist bezeichnet!‹ Catherine wechselte den Sender. Ein Interview mit einem bekannten Physiker kam auf den Schirm. »Wir erleben den Anfang vom Ende. Synchronizität ist real. Wie viele von uns bemerken immer häufiger scheinbare Zufälle?
    Das Bewußtsein erfaßt inzwischen besser die eigentlichen Zusammenhänge. Das wiederum ist ein Hinweis darauf, daß die Dinge in eine ganz bestimmte Richtung laufen. Die Fäden, die Bereiche, die Ebenen, die Strömungen des Universums beginnen seit einiger Zeit, miteinander in Berührung zu kommen, und das Ergebnis ist eine Koinzidenz. Die Ebenen und Strömungen und unsichtbaren Sphären werden sich von jetzt an immer öfter berühren, bis schließlich jeder Punkt des Universums mit dem anderen in Kontakt steht, und der Kosmos implodiert, das heißt, in sich zusammenbricht, und wie wir wissen, wieder in das Chaos vor der Ordnung zurückkehrt. Ich habe es mathematisch berechnet. Der Schlußpunkt wird genau um Mitternacht am 31. Dezember 1999 erreicht sein.«
    Catherine schaltete den Fernseher aus und ging unruhig im Zimmer auf und ab.
    Auf dem Sofatisch sah sie das Brevier mit dem geprägten goldenen Chiro – das große P mit dem X über dem Abstrich, die ersten beiden Buchstaben des Wortes Christos – auf dem dunkelgrünen Ledereinband.
    In den vergangenen fünf Tagen hatte sie Garibaldi öfter dabei beobachtet, wenn er darin las. Manchmal bewegte er die Lippen und flüsterte stumm die rituellen Worte. Gegen ihren Willen war sie neugierig geworden. Waren es lateinische Texte? Handelte es sich um Gebete oder nur um Aussprüche, tröstende Worte oder vielleicht um Lieder? Catherine hatte das Brevier noch nie gelesen. In ihrer Jugendzeit hatte sie sich an das katholische Gesangbuch gehalten.
    Sie griff nach dem Brevier und schlug es auf. Es war, wie sie wußte, in Tage und Stunden gegliedert. Sie suchte das Abendgebet für den 22. Dezember.

    Gott ist Licht!
    Wenn wir mehr und mehr im Licht leben,
    herrscht Liebe zwischen uns.
    Ohne Liebe kann es auf der Welt keinen Frieden geben:
    Herr, befreie unsere Welt von Haß und Furcht.
    Herr, hilf den Männern und Frauen,
    Trost im Leid und Stärke in den Prüfungen zu finden.
    Gewähre ihnen beständige Liebe.
    Herr, nimm all die Toten in deine Obhut:
    Jene, die wir geliebt haben
    und auch jene, an die sich niemand erinnert.

    Catherine schloß die Augen.
    »Nimm all die Toten… jene, die wir geliebt haben…« Einen Augenblick lang empfand sie so etwas wie Frieden. Aber plötzlich fiel ihr ein Gespräch ein, das vor langer Zeit stattgefunden hatte. In der elften Klasse erklärte ihr ein Mitschüler, wie er sich das Leben nach dem Tode vorstelle. »Ich glaube, es ist genauso wie das Leben davor.«
    »Du meinst, bevor wir geboren wurden?« hatte Catherine ihn gefragt. »Erinnerst du dich an etwas aus dieser Zeit?«
    »Natürlich nicht.«
    »Na bitte.«
    Catherine dachte: Ist es das? Ein Nicht-Sein? Ist Danno dort im Nichts? Ist meine Mutter auch dort?
    Sie klappte das Buch zu und legte es auf den Tisch. Nimm alle Toten…
    Es war ein schönes Gebet, aber es war katholisch, und sie konnte das Gebet nicht von der Kirche trennen, in deren Kontext es entstanden war.
    Ihre Gedanken kehrten wieder zu Garibaldi zurück. Plötzlich wußte sie, was sie beunruhigte.
    »Bei sechs Swimmingpools«, hatte er gesagt, »sollte ich eigentlich ein paar Bahnen schwimmen können.«
    Aber er hatte die Pangamot-Stöcke mitgenommen! Catherine setzte sich wieder an den Laptop, startete, klickte auf Lycos, gab den Suchbegriff ›Pangamot‹ ein und gelangte über die Hypertext-Verbindung in das Web und zu dem Stichwort: >Philippinischer Kampfsports Sie hatte die Homepage an jenem Abend aufgerufen, als Garibaldi ihr die Haare abschnitt. Als die Seite mit dem Symbol – ein Schwert und ein Rohrstock, die sich kreuzten – auf dem Bildschirm erschien, fragte sich Catherine, ob sie dort etwas finden würde, das ihr den Menschen Garibaldi vielleicht verständlicher machte.
    Beim ersten Mal hatte sie nur kurz die Einleitung überflogen. Nun sprang sie von Stichwort zu

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