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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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sich um Illusionen handelt, bevor uns echte Gewalt und Zerstörung völlig gleichgültig ist?«
    Sie drehte dem Fenster den Rücken zu. »Ich glaube, ich nehme ein heißes Bad, um meinen steifen Hals und die Schultern zu lockern.«
    Er sah sie an, als überlege er, ob er darauf etwas erwidern solle. Aber dann sagte er nur: »Ich werde feststellen, was das Fitneß-Zentrum des Hotels zu bieten hat. Bei sechs Swimmingpools müßte ich eigentlich ein paar Bahnen schwimmen können.« Er verschwand in seinem Zimmer und schloß die Tür hinter sich.
    Catherine blickte wieder aus dem Fenster und sah zu, wie die Insel langsam aus dem Wasser auftauchte und für den nächsten Untergang vorbereitet wurde. Sie versuchte, ihre Gefühle zu erforschen und die seltsame Angst zu identifizieren, die sich wie eine eiserne Klammer um ihr Herz legte. Es war nicht nur die Angst vor Havers oder die Angst, die siebte Schriftrolle vielleicht nicht rechtzeitig zu finden. Sie fühlte, wie sich in ihr etwas Unbekanntes und Unwillkommenes ausbreitete, das sie mehr erschreckte als alle Gefahren, die ihr drohten. Es hatte etwas mit Garibaldi zu tun.
    Sie schloß die Augen und sah ihn vor sich. Sie sah ihn ganz deutlich, in allen Einzelheiten, bis hin zu dem kleinen schwarzen Leberfleck hinter dem rechten Ohr, dem ausrasierten Haaransatz im Nacken und den vereinzelten grauen Haaren an den Schläfen. Dann versuchte sie, sich Julius vorzustellen – die sanften schwarzen Augen, die scharf geschnittenen semitischen Gesichtszüge. Aber sein Bild stand ihr nicht so klar vor Augen wie das von Garibaldi. Sie wollte sich an den Duft des Rasierwassers erinnern, das Julius benutzte. Aber es gelang nicht richtig; ihr fiel nur ein, daß sie diesen Duft einmal erregend gefunden hatte.
    Garibaldi benutzte Old Spiee, den traditionellen und maskulinen ›Männerduft‹. Sie hatte nun fünf Tage und fünf Nächte, also über hundert Stunden ohne Unterbrechung in seiner Gesellschaft verbracht. War das gleichbedeutend mit fünf Wochen, vielleicht sogar mit fünf Monaten in einer normalen Beziehung? Catherine staunte darüber, wie sehr sich ihr sein Äußeres eingeprägt hatte. Doch sie wußte immer noch kaum etwas über ihn – weder über seine Herkunft noch darüber, warum er Priester geworden war.
    In zwei Tagen war Weihnachten. Würde er nach Hause fahren wollen? Mußten Priester an Weihnachten nicht die Messe lesen? Sie hatte zwar anfangs versucht, Garibaldi loszuwerden, doch jetzt beunruhigte sie der Gedanke, möglicherweise ohne ihn weitermachen zu müssen.
    Sie hörte, wie er aus seinem Schlafzimmer kam, und sah sein Spiegelbild in der Fensterscheibe. Er blieb mitten im Zimmer stehen. In der einen Hand hielt er seine schwarze Tasche und in der anderen etwas, das sie nicht erkennen konnte. Obwohl er inzwischen nur noch das schwarze Hemd mit dem Priesterkragen trug, fiel es ihr immer schwerer, in ihm einen Priester zu sehen. »Vater Garibaldi«, sagte sie, ohne sich umzudrehen, »glauben Sie, die Hawksbill-Leute haben meine Nachricht weitergegeben?«
    »Wollen Sie den Computer starten, um es festzustellen?« Sie drehte sich um und sah ihn an. »Nein, ich möchte mich noch nicht bei Hawksbill melden. Wenn Havers herausgefunden hat, daß ich Kontakt zu diesen Leuten aufgenommen habe, und mich auf diesem Kanal erwartet, dann werde ich zum letzten Mal dort auftauchen können, und wir beide müssen weiter. Ich lasse ihnen ein paar Tage Zeit, bevor ich mich erkundige.«
    »Wer weiß«, sagte Garibaldi und lächelte, »vielleicht ist Jean-Luc der Chefarchivar der Kongreßbibliothek.« Catherine lachte. Ihre Blicke trafen sich über das Zimmer hinweg. Sie schwiegen beide.
    Er stand schon an der Tür zum Flur, als Catherine sagte: »Vater Garibaldi, in zwei Tagen ist Weihnachten.
    Wollen Sie nicht nach Hause fahren?«
    Erschrocken stellte sie fest, daß sich sein Gesicht verfinsterte und sich die Muskeln an seinem Hals spannten. Ihr fiel ein, daß er im Begriff gewesen war, ihr etwas zu sagen, als das ›Erdbeben‹ eingesetzt hatte. Er schüttelte stumm den Kopf, drehte sich abrupt um und ging hinaus. Während sich die Tür hinter ihm schloß, sah Catherine flüchtig, was er in der anderen Hand trug. Die philippinischen Kampfstöcke.

    Las Vegas, Nevada

    »Ich bin dafür, daß wir es bei den billigeren Hotels versuchen«, sagte Raphael und spießte mit der Gabel ein paar Fettucini auf. »Bis jetzt haben sie immer billige Unterkünfte gehabt.« Er lachte mit vollem

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