Die Prophetin
Zimmer!« rief er Catherine zu und sprang auf den Tisch. Als Zeke mit dem Messer nach ihm stieß, trat er ihm mit voller Wucht gegen den Arm. Der Killer taumelte rückwärts und drehte sich einmal um sich selbst. »Laufen Sie!« rief Garibaldi noch einmal.
Catherine glaubte, die Beine würden ihr den Dienst versagen. Sie wußte, was Garibaldi von ihr wollte. Der Kampf würde nicht mehr lange dauern. Zeke hatte außer dem Messer noch eine Pistole. Wenn er feststellte, daß Garibaldi ihm überlegen war, würde er ihn kaltblütig erschießen und dann… Sie bewegte sich wie in Trance, kniete vor Garibaldis Reisetasche. Als sie den lackierten Stock in die Hand nahm, durchlief sie ein Schauer. Von nebenan hörte sie einen wütenden Aufschrei. »Das wirst du mir büßen!« knurrte der Killer.
Catherine stand an der Tür. Zekes Hand blutete. Er hatte die blaue Tasche fallen lassen und richtete sich wütend auf. Garibaldi stand mit dem Rücken zu ihr. »Hier…«, flüsterte sie.
Ohne sich umzudrehen, griff er nach dem Stock, den sie ihm reichte. In diesem Augenblick warf Zeke das Messer. Garibaldi riß geistesgegenwärtig den Stock hoch.
Sie wußte später nicht mehr, wie es wirklich geschehen war, aber es gelang Garibaldi, das Messer abzuwehren. Sie hörte, wie es klirrend auf die Tischplatte fiel.
Dann ging alles sehr schnell. Garibaldi sprang aus dem Stand über den Tisch. Der Stock traf Zeke wie ein Pfeil. Der Killer stürzte rücklings zu Boden und riß Garibaldi mit sich. Aber im nächsten Augenblick stand Garibaldi wieder und hob den Stock zum tödlichen Schlag. »Nein!«
Garibaldi hielt inne, sah sie über den Raum hinweg für den Bruchteil einer Sekunde an. Er sah ihr Flehen, ihre Verzweiflung, ihre Panik und verstand. Mit einem Fußtritt machte er Zeke bewußtlos, griff nach der blauen Tasche und nickte ihr zu.
In das Raumschiff drängte sich eine Gruppe Engländer, ein Club auf Erlebnisreise. Die Männer waren selbstsicher und ausgelassen und benahmen sich beinahe kindisch, ihre Frauen dagegen wirkten spröde und waren maskenhaft geschminkt. Die Engländer wollten zum Stierspringen, der Attraktion am Vormittag in der riesigen Hotelhalle.
Catherine schloß die Augen. Sie umklammerte die blaue Tasche und versuchte, das laute Lachen und die anzüglichen Bemerkungen über Stiere und Frauen zu überhören.
Sie dachte an die Killer, die bewußtlos im Zimmer lagen. Garibaldi hatte nach dem Kampf nur flüchtig einen Blick auf die beiden Männer geworfen und gesagt: ›Sie werden keine schönen Träume haben, und wenn sie aufwachen, sind wir nicht mehr in Las Vegas.‹
Catherine biß die Zähne zusammen. Das Blut, die Brutalität und Gewalt, die sie bei dem Kampf erlebt hatte, ließen sie jetzt noch zittern. Als das Raumschiff in der Hotelhalle anhielt und sie aussteigen wollten, wurde ihr übel. Sie konnte sich nicht von der Stelle rühren. Garibaldi sah sie besorgt an, reichte ihr schließ-
lich die Hand und zog sie vom Sitz. »Wir dürfen kein Aufsehen erregen«, flüsterte er. »Kommen Sie, wir haben es gleich geschafft. Wenn wir aus dem Hotel sind, kann uns nichts mehr passieren…«
Er griff nach der blauen Tasche, drückte Catherine an sich und legte ihr den Arm um die Schulter. Der Brechreiz ließ nach. Sie staunte über das tröstliche Gefühl, sich ihm vertrauensvoll überlassen zu können.
In diesem Augenblick der Schwäche wußte Catherine, daß sie Garibaldi auf eine neue Art respektierte. Er ist mein Beschützer. Er läßt mich nicht im Stich! »Wohin gehen wir?« fragte sie leise, als er sie an der Rezeption vorbeiführte.
»Ich habe mir gestern das Hotel etwas genauer angesehen und einen Seitenausgang entdeckt.« Sie hatten eine verspiegelte Pendeltür erreicht. Garibaldi deutete auf einen Sessel. »Warten Sie hier, bis ich die Rechnung bezahlt habe.« Da Catherine sich ängstlich an ihn drückte, fügte er beruhigend hinzu: »Es ist besser so. Nehmen Sie die blaue Tasche.«
Catherine nickte, blieb jedoch unentschlossen stehen. Als er sich umdrehte und gehen wollte, fragte sie erschrocken: »Wo ist der Laptop?«
»In meiner Reisetasche. Setzen Sie sich, es kann einige Zeit dauern. An der Rezeption ist immer viel los, aber keine Angst, Sie können mich von hier sehen.« Garibaldi hatte recht, er mußte warten.
Catherine setzte sich in den weich gepolsterten Sessel und versuchte, sich zu entspannen. Es gelang ihr nicht. Die Unruhe wuchs. Am liebsten wäre sie aufgesprungen und einfach
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