Die Prophetin
davongerannt. Fanfaren und dumpfe Trommelwirbel kündigten den Stier an. Die Menge verstummte. Der Wettkampf zwischen der Frau und dem Tier begann…
Catherine war froh, daß Garibaldi sie an das entfernte Ende der Empfangshalle geführt hatte. Hier sah sie wenigstens nichts von dem aufreizenden Spektakel, doch das Geschrei und Gejohle der Zuschauer zerrte trotzdem an ihren Nerven. Ihre Hände waren naß vom Schweiß. Ihr Herz schlug laut, sie atmete flach. Endlich war Garibaldi an der Reihe.
Wann wird die Flucht zu Ende sein?
Catherine drehte sich unruhig um und erstarrte. Der Killer mit der Narbe trat aus einem Raumschiff, die verletzte Hand in der Hosentasche. Er blieb stehen und blickte sich suchend in der Halle um. Catherine wagte nicht, sich zu bewegen. Schließlich ging er in Richtung Rezeption, und sie sprang in Panik auf. Als sei sie mit ihm durch unsichtbare Fäden verbunden, drehte sich sein Kopf in ihre Richtung. Für den Bruchteil einer Sekunde sah Catherine seine kalten Augen auf sich gerichtet. Ihre Hand berührte den Bronzegriff der verspiegelten Pendeltür, und sie zuckte wie unter einem Schlag zusammen. Plötzlich war sie hellwach.
Schnell ging sie durch die Tür und befand sich in einem Gang. Am Ende sah sie einen Lastenaufzug mit dem Hinweis: ›Nur für Angestellte!‹ Daneben befand sich hinter einer Glastür eine Treppe.
Catherine blieb atemlos vor dem Aufzug stehen und drehte sich um. Der Killer war nicht zu sehen. Hatter er sie vielleicht doch nicht bemerkt? Sie mußte Garibaldi warnen! Die Pendeltür bewegte sich. Catherine war mit einem Satz im Aufzug und drückte auf den Knopf. Als sich die schwere Eisentür des Aufzugs langsam schloß, sah sie den Killer. Er verfolgte sie. Der Aufzug fuhr nach unten. Catherine hatte das Ge-fühl zu fallen und klammerte sich an einen Haltegriff. Der Fahrstuhl blieb mit einem Ruck stehen, die Tür glitt zur Seite, aber sie war wie gelähmt und rührte sich nicht von der Stelle. Als sich die Aufzugstür jedoch wieder schloß, drückte sie schnell den roten Knopf mit der Aufschrift: ›STOP‹. Auf der Leuchtanzeige sah sie, daß jemand den Aufzug nach oben holen wollte – der Killer! Sie saß in der Falle. Auch wenn sie den Aufzug blockierte, gab es für ihn immer noch die Treppe. Ihr blieb nicht viel Zeit. Catherine nahm die blaue Tasche über die Schulter und verließ den Aufzug. Sie befand sich in einem breiten, grün gekachelten Tunnel. In regelmäßigen Abständen brannten blauweiße Deckenlampen. In den Boden war ein Gleis einge-lassen. An der Seite sah sie ein Schienenfahrzeug mit einem kleinen Kran.
Wo befand sie sich, und wohin führte der Gang? Sie blieb verwirrt stehen. Zurück konnte sie nicht. Sie lief los.
Der Tunnel machte eine leichte Kurve. Vielleicht gab es dahinter einen Aufzug, der sie wieder nach oben bringen würde. Ihre Schritte hallten dumpf in der seltsam unnatürlichen Stille Ihr Keuchen klang überlaut.
Ein bedrohliches Brummen oder Summen lag in der Luft. Catherine rannte weiter, aber heftiges Seitenste-chen zwang sie schließlich stehenzubleiben. Der Gang war sehr viel länger, als sie vermutet hatte. Die Kurve schien kein Ende zu nehmen. Sollte sie vielleicht doch umkehren? Der dumpfe Knall einer Eisentür, die ins Schloß fiel, ließ sie zusammenzucken. Sie war nicht mehr allein. Der Killer schien sich seiner Sache sicher und trieb sie vor sich her. Ihre Angst nahm zu, als plötzlich Neonlichter aufflammten. Die grünen Fliesen wirkten im blauen Licht kalt und lebensfeindlich.
Catherine rannte weiter, blieb dann aber wie angewurzelt stehen. Hinter der Biegung war alles dunkel. Der Gang wurde eng und bot nur Platz für die Schienen. Auf einer Tafel neben einer grünen und roten Ampel stand: ›ACHTUNG SCHLEUSE! BETRETEN VERBOTEN! LEBENSGEFAHR!‹
Catherine wußte jetzt, wo sie war. Garibaldi hatte ihr erzählt, daß sich unter dem Hotel und dem See ein Tunnel befand, der zur Insel führte, zu Atlantis, dessen ›Untergang‹ zweimal täglich den Hotelgästen vorgeführt wurde.
Sie konnte sich nicht weiter vorwagen. Der Killer würde sie einholen und hier unten leichtes Spiel mit ihr haben. Havers hatte gewonnen. Er würde die Schriftrollen bekommen. Catherine hörte hinter sich das Hallen von Schritten. Sie stand gut sichtbar im Licht. Er konnte sie einfach erschießen. Warum habe ich Garibaldi daran gehindert, den Killer umzubringen?
In ihrer Verzweiflung wollte Catherine durch das offene Schleusentor in die
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