Die Prophetin
dir geholfen, um dir zu zeigen, daß ich auf deiner Seite stehe.« Er lächelte sie an, und seine Stimme wurde weich. »Dieser letzte Abend bei mir zu Hause…. es tut mir wirklich leid. Ich muß sehr selbstgerecht und überheblich geklungen haben.«
»Nein, du hast nur wie der gewissenhafte Mann gesprochen, den ich liebe.«
»Ich habe dich noch aus einem zweiten Grund auf die Handschrift hingewiesen. Du solltest mit eigenen Augen sehen, daß es keine siebte Schriftrolle gibt.«
»Das weiß ich erst, wenn ich mit der Übersetzung der sechs Bücher fertig bin.«
»Also gut«, sagte er lächelnd, »wenn du an das Vorhandensein eines siebten Buchs glauben willst, werde ich nicht mit dir streiten. Aber du kannst nach Hause kommen, du mußt dich nicht mehr verstecken. Ich habe alles in Ordnung gebracht.«
»In Ordnung gebracht?« Sie sah ihn verwundert an. »Was meinst du damit?«
»Du weißt, daß ich die Leute im Ministerium in Kairo kenne. Ich habe die Lage mit ihnen besprochen, und sie sind zu einer Lösung bereit, die es ihnen ermöglicht, die Anschuldigungen gegen dich fallenzulassen.
Dann kannst du weiterhin an den Schriftrollen arbeiten. Das wird natürlich in Kairo und unter der Aufsicht ihrer Leute geschehen müssen. Aber dort bist du in Sicherheit; niemand wird versuchen, dir etwas zu tun.«
»Julius, dann kann es zu spät sein.«
»Es ist die einzige Möglichkeit für sie, die Vorwürfe zurückzuziehen.«
»Und wie hilft mir das, die siebte Schriftrolle zu finden?«
»Du wirst Hilfe bekommen. Andere Experten werden die Rollen analysieren.« Andere Experten? Hilfe? Sie setzte sich an den Tisch und dachte nach. Vielleicht ist es Zeit, Hilfe anzunehmen. Dann hat das Fliehen und das Versteckspielen ein Ende, die Angst, von den Killern überrascht zu werden. Dann kann ich ungestört über Internet recherchieren. Ich muß mich nicht ständig fragen, wem ich vertrauen kann.
»Was ist mit meiner Grabung?« fragte sie. »Wird man mir erlauben weiterzumachen?«
»Tut mir leid, das ist unmöglich.«
»Warum?«
»Man hat deine Erlaubnis gesperrt.« Er zögerte einen Augenblick und fügte dann hinzu: »Zumindest so lange, bis alle Vorwürfe gegen dich entkräftet sind.«
Sie seufzte. »Das kann ich ihnen nicht verübeln. Ich habe ihre Gesetze übertreten.«
»Wirst du es tun? Wirst du die Schriftrollen der ägyptischen Regierung übergeben?«
»Ich werde es mir überlegen«, sagte sie nach kurzem Nachdenken. »Vielleicht werde ich es tun.«
»Gut.«
»Aber unter einer Bedingung.«
»Welcher?«
»Daß man mir eine neue Grabung genehmigt.«
»Eine neue Grabung?«
»Der Brunnen. Ich will wissen, wer darin begraben liegt, Julius. Und ich will feststellen, ob es weitere Schriftrollen gibt oder etwas anderes, was uns verrät – «
Er schüttelte den Kopf. »Das wird nicht möglich sein.«
»Warum nicht? Wenn ich den Ägyptern die Schriftrollen gebe…«
»Der Brunnen wird zugeschüttet.« Sie sah ihn verständnislos an. »Warum?«
»Man hat erklärt, der Brunnen sei einsturzgefährdet und Anweisung gegeben, ihn aufzufüllen und zu ver-siegeln.«
»Nein!« rief sie entsetzt. »Nein, das dürfen sie nicht tun!«
»Catherine, man hat den freiliegenden Teil des Skeletts untersucht und erklärt, es sei nicht von historischer Bedeutung.«
»Nicht von historische Bedeutung? Julius, die Frau kann eine frühchristliche Priesterin gewesen sein! Es könnten Dinge von ungeheurem historischen Wert mit ihr dort unten im Brunnen liegen.« Catherine kniff die Augen zusammen, drehte sich abrupt um und trat ans Fenster. »Ich weiß, was hier gespielt wird. Die ägyptische Regierung wird unter Druck gesetzt. Sie wollen die ganze Sache vertuschen.« Der Vatikan.
Garibaldi… »Catherine, das ist Unsinn.«
Sie schüttelte den Kopf. »Es ist kein Unsinn. Es ist genau das, was ich dir vorausgesagt habe. Sie schütten das Skelett der Frau zu, die mit den Schriftrollen begraben worden ist… lebendig begraben worden ist, Julius. Ihre Hände und Gelenke waren gefesselt, als man sie lebend in einen Brunnen hinabließ. Wenn ich die Schriftrollen den Ägyptern überlasse oder dem Vatikan oder der Harvard University oder irgend jemandem sonst, dann verschwinden sie in einem Archiv, und man wird nie mehr etwas von ihnen hören.
Dann wird diese arme Frau umsonst den Märtyrertod gestorben sein! Begreifst du das nicht, Julius?!« Er sah sie erschrocken an. »Catherine…«
Als er neben sie trat, wich sie vor ihm zurück.
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