Die Prophetin
aber dann waren Sie plötzlich verschwunden. Der Hoteldirektor erzählte mir von dem Päckchen, das für Sie angekommen war.«
»Sie haben also Daniels Weihnachtsgeschenk zum Vorwand genommen…«
»Ich bin Ihnen nachgereist, Catherine, weil ich wissen wollte, was in den Schriftrollen steht. Ich hatte ein persönliches Interesse daran, das habe ich Ihnen gesagt. Und… glauben Sie mir, ich wollte Ihnen alles sagen. Ein paarmal war ich nahe daran, es zu tun. Aber in der ersten Nacht habe ich Kardinal Lefevre angerufen und ihm berichtet, was geschehen war. Er hat mir aufgetragen, bei Ihnen zu bleiben, Ihnen aber nichts von den wahren Gründen zu sagen. Catherine, man hat es mir befohlen, es war nicht meine Idee.«
»Nein, Vater Garibaldi«, sagte sie bitter, »es war nicht Ihre Idee, aber Sie haben es getan.«
Sie sah Garibaldi an. Sie blickte in seine Augen, die sie für klar und ehrlich gehalten hatte, und begann wieder zu zittern. »Sie sind also die ganze Zeit bei mir geblieben, weil man es Ihnen befohlen hat?« fragte sie mit Tränen in den Augen. »Weil ich bei Ihnen bleiben wollte«, sagte er leise. »Und was wollte der Kardinal erreichen? Sollte ich Sie zur siebten Schriftrolle führen?«
»Nein. Ich sollte dafür sorgen, daß Ihnen nichts zustößt.« Ihre Augen wurden groß. »Sie waren mein Leibwächter?«
»Ja.«
»Sie hätten mir oft genug die Schriftrollen wegnehmen können, während ich schlief. Warum haben Sie es nicht getan?«
»Weil wir keinen Beweis für den christlichen Ursprung der Schriftrollen hatten. Wenn dieser Text nicht christlicher Herkunft ist, hat die Kirche kein Anrecht darauf. Außerdem sind die sechs ›Bücher‹ nach gel-tendem Recht Eigentum des ägyptischen Staates.«
»Und wenn wir Beweise dafür finden, daß es sich um christliche Texte handelt? Was dann?«
»Ich weiß es nicht. Ich sollte lediglich Bericht erstatten.«
»Sie wissen, was dann mit den Schriftrollen geschehen würde, Vater Garibaldi. Die Kirche würde sie vernichten.«
»Das ist eine Behauptung.«
»Glauben Sie, die Kirche wird sich über Beweise freuen, daß Frauen in frühchristlicher Zeit das Priesteramt ausgeübt haben?«
»Catherine, wir wissen bis jetzt nicht einmal mit absoluter Sicherheit, daß es sich um christliche Dokumente handelt.«
»Warum hat der allmächtige Vatikan uns nicht geholfen, als wir Hilfe brauchten?«
»Man hat uns geholfen, wo es möglich war. Aber offiziell hat der Vatikan nichts mit der Sache zu tun. Das ist eine Frage der Diplomatie und der Rücksichtnahme auf Empfindlichkeiten. Das Ganze wurde sehr hei-kel, als sich die ägyptische Regierung direkt an das Weiße Haus wandte. Der Vatikan mußte neutral erscheinen.«
»Wann hat man uns geholfen?«
»Zum Beispiel mit Reiseschecks. Mir war klargeworden, daß man uns durch den Leihwagen auf die Spur kommen konnte. Also habe ich Kardinal Lefevre informiert. Er hat veranlaßt, daß die Unterlagen im Computer der Verleihfirma gelöscht wurden. Leider wurde damit auch meine Kreditkarte ungültig, und deshalb hatte ich danach keine mehr, um alle Rechnungen und auch die Server-Gebühren zu bezahlen. Aber man hat dafür gesorgt, daß ich in Las Vegas Reiseschecks bekam.«
»Wenn der Vatikan uns geholfen hat, wieso haben Sie die Informationen nicht weitergegeben und die Leute in Rom für uns suchen lassen? Sie hätten Tymbos wahrscheinlich gefunden.«
»Auch damit durfte der Vatikan nichts direkt zu tun haben. Sie hatten der ägyptischen Regierung etwas gestohlen. Es wäre für den Vatikan nicht klug gewesen, Ihnen zu helfen und Ihre Nachforschungen zu unterstützen.«
»Ja«, sagte sie bitter, »also hat man abgewartet, und ich durfte die Dreckarbeit machen.«
»Einiges davon habe ich übernommen«, sagte er ruhig. Catherine kämpfte immer noch mit den Tränen.
»Jetzt verstehe ich auch einige andere Dinge. Zum Beispiel die kleine Katze in Mojave. Sie haben gesagt:
›Wir sind für unsere Katzen berühmt.‹ Ich fand das komisch, weil ich noch nie gehört hatte, daß Chicago für seine Katzen berühmt sein sollte. Rom ist natürlich für seine Katzen berühmt!«
»Es tut mir leid«, flüsterte er.
»Die ganze Zeit, die wir zusammen verbracht haben, Vater Garibaldi, all die Nächte, all diese Augenblicke, in denen wir uns nahe waren… Und Sie haben nie daran gedacht, mir die Wahrheit zu sagen?«
»Ich habe jede Minute daran gedacht. Und ich war wirklich oft nahe daran, es zu tun. Aber ich durfte es nicht. Ich hatte
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