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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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wußte, sie waren irregeleitet. Und ich sagte mir, das Schicksal habe mich zu ihnen geführt, weil die Botschaft gerade hier gebraucht werde. So ging ich daran, Freidas Sippe zu bekehren, und gründete in der barbarischen Wildnis im Norden eine Gemeinde.
    Es erreichten uns Nachrichten von heftigen Kämpfen zwischen den Stämmen im Westen. Die Feinde der Sippe, so hieß es, seien besiegt. Freida warf die heiligen Runenstäbe auf ein weißes Tuch und deutete die Zeichen. Endlich, so erklärte sie, konnten wir näher zur Grenze ziehen, wo die anderen Stam-mesangehörigen zurückgeblieben waren, nachdem die Streitigkeiten sie von der Sippe getrennt und eine Wiedervereinigung lange unmöglich gemacht hatten.
    So erreichten wir schließlich den Wald, wo die Germanen von den Römern Land zurückgewonnen hatten. In diesem Wald gab es einen heiligen Platz, zu dem mich Freida führte, um mir die uralten Steine zu zeigen, die ihr Volk verehrte. Freida war wieder mit ihrem Sohn zusammen. Und dort, in den dunklen Wäldern, war es mir bestimmt, Sigmund zu treffen – meinen schönen, tapferen, gottgleichen Sigmund…

    Detmold, Deutschland

    »Und dort, in den dunklen Wäldern, war es mir bestimmt, Sigmund zu treffen – meinen schönen, tapferen, gottgleichen Sigmund…«

    Catherine blickte auf die gewaltige, sechsundfünfzig Meter hohe Statue. Vor ihr auf einer Säule stand ein gottgleicher Mann mit langen Haaren und einem wilden Bart. Er trug ein kurzes Gewand, einen Lederum-hang und auf dem Kopf einen geflügelten Helm. Mit einer Hand stützte er sich auf seinen Schild, mit der anderen hob er das Schwert hoch in die Luft wie einer der Helden von Wagner.
    Ist das Sigmund? dachte Catherine.
    Die Inschrift in einer gewölbten Nische am Fuß der Statue verriet, daß es sich um Hermann handelte, den die Römer unter dem Namen Arminius gekannt hatten. Dieser germanische Krieger hatte Cäsars Legionen in einer Schlacht besiegt, die den Lauf der Geschichte veränderte. Der Text der Inschrift war lateinisch und deutsch und lautete: ›Im Kriege nicht besiegt‹
    Außer ihr befand sich niemand am Denkmal. Catherine war die beinahe vier Kilometer vom nahe gelegenen Detmold hierher zu Fuß gegangen. Schilder mit der Aufschrift: Vorsicht! Glatteis! ermahnten die Besucher, auf den Weg zu achten. Nun stand sie unter dem dunkelgrauen Himmel und blickte über die sanft gewellten und dicht bewaldeten Hügel des Teutoburger Waldes. Unter ihr lag ein zugefrorener See.
    Der Mann am Bahnhof hatte sie erstaunt angesehen, als sie sich nach dem Hermannsdenkmal erkundigte.
    Er sagte, nur wenige Amerikaner fragten jemals danach und mitten im Winter schon gar nicht. Den Rest sah sie in seinen Augen: Und vor allen keine Nonne im schwarzen Habit mit einer weißen Haube. Er hatte ihr den Führer gegeben, sie vor dem tückischen Glatteis gewarnt und ihr geraten, vielleicht lieber in den Detmolder Hof zu gehen, wo es warm sei. Doch Catherine war in den Hermannswald gegangen, wo Sabina mit Freida gewesen war und wo sie Sigmund getroffen hatte.
    Es war ein dichter Wald, an dessen Bäumen allerdings keine Blätter hingen. Nackte schwarze Strichfiguren ragten aus einer weißen Decke. Auf der Erde lag hoher Schnee, der den Ästen und Zweigen, den Picknick-Bänken und Tischen weiße Hauben aufsetzte. Außer Catherines Fußabdrücken gab es keine Spuren im Schnee.
    Sie hörte ein Schweigen, das sich von allem unterschied, was sie jemals gehört hatte.
    Nachdem Julius sie im Kloster gebeten hatte, mit ihm nach Kalifornien zurückzufahren, weil es keine siebte Schriftrolle gäbe, hatte Catherine das erste Blatt der sechsten Schriftrolle gelesen, wo Sabina von dem Aufbruch nach Germanien berichtete. Da wußte sie, daß die Geschichte weiterging, daß Sabina nicht in Britannien gestorben war.
    Catherine sprach noch am selben Abend mit der Äbstissin über ihren Plan. Die ehrwürdige Mutter gab ihr einen Habit und den eigenen Reisepaß, den sie erst vor kurzem für eine Reise nach Rom hatte verlängern lassen. Da Catherine der älteren Frau überhaupt nicht ähnlich sah und auch nicht annähernd in ihrem Alter war, mußte sie sich nach ihrer Ankunft in Frankfurt bei der Paßkontrolle auf ein großes Taschentuch und einen verschlafenen deutschen Beamten verlassen. Die Äbtissin kannte nicht die ganze Geschichte. Catherine hatte ihre Schwierigkeiten nur angedeutet und sie um Hilfe gebeten. Dabei brauchte sie nicht viele Worte zu machen. Die kluge ältere Frau hörte

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