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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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und ich weiß es auch nicht, Hassan weiß es nicht, und Ramesch kann nur Briefe damit schreiben. Ich kann an den Fingern einer Hand ab-zählen, Frau Doktor, wie viele Gäste diesen Computer benutzt haben. In den vergangenen fünf Monaten niemand. Und heute? Plötzlich wollen alle an den Computer!«
    »Alle?«
    »Ja, zum Beispiel Mr. Hungerford, ihr amerikanischer Freund.«
    Sie runzelte die Stirn. »Wer noch?«
    »Ein Gast, der heute am späten Nachmittag eingetroffen ist. Er sitzt gerade am Computer.«
    »Wollen Sie damit sagen, der Computer ist im Augenblick nicht frei?«
    Er nickte und zuckte entschuldigend mit den Schultern. »Vielleicht können Sie es im Sheraton oder im Hilton versuchen.« Aber Catherine hatte keine Zeit, in ein anderes Hotel zu fahren. Daniel blieb nie länger als eine Stunde Online. In Mexiko war es inzwischen halb neun. Sie mußte ihn erreichen, bevor er sein Zelt verließ.
    »Tut mir leid«, sagte Mr. Mylonas und widmete sich einem Gast, der Geld umtauschen wollte.
    Catherine überlegte nicht lange und ging zum Büro im hinteren Teil des Hotels. Die Tür stand offen, und sie blickte hinein. Der kleine Raum war vollgestopft mit ausrangierten Möbeln. Neben mehreren altmodischen Telefonen mit Wählscheibe stand dort auch eine mechanische Schreibmaschine. An der Wand hingen ein islamischer und ein westlicher Kalender, und am Deckenventilator baumelten klebrige Fliegenfänger.
    Die Sekretärin war nicht da, Ramesch, der Stellvertreter von Mr. Mylonas, ebenfalls nicht.
    Aber am Computer saß jemand. Der Mann drehte ihr den Rücken zu und tippte auf der Tastatur. Er war groß, hatte breite Schultern und eine fast militärische Haltung. Er trug ein schwarzes Hemd mit kurzen Ärmeln und Jeans. Catherines Blick verweilte unwillkürlich auf der betont männlichen Gestalt. »Entschuldigen Sie…«, Catherine räusperte sich und blieb in der Tür stehen. »Ich wollte Sie fragen, ob…« Der Mann drehte sich um. Er hatte blaue Augen und eine sonnengebräunte Haut. Er lächelte sie liebenswürdig an.
    Aber dann fiel ihr auf, daß das schwarze Hemd kein normales Hemd war, sondern einen Priesterkragen hatte. Sie war verwirrt. Mr. Mylonas hatte nicht erwähnt, daß der Gast ein Geistlicher war.
    Sie räusperte sich noch einmal. »Ich wollte Sie fragen, ob der Computer frei ist…«
    »Ich habe gerade meine E-Mail abgeschickt und fürchte, damit ist dieser Computer eine Weile beschäftigt.«
    »Wie lange?«
    »Ein paar Stunden.«
    »Stunden? Warum dauert das so lange?«
    »Ich glaube, er hat ein 3oo-Bits-pro-Sekunde-Modem!« erwiderte er und lachte.
    Catherine warf erst einen Blick auf die Uhr, dann auf den Computer und schließlich auf den Priester. Sie wollte etwas sagen, überlegte es sich aber anders und drehte sich wortlos um. An der Rezeption bat sie Mr.
    Mylonas, im Sheraton anzufragen, ob ein Computer frei sei. Während sie wartete, trommelte sie mit den Fingern nervös auf das Gästebuch und starrte in die Richtung des Büros. Sosehr sie es auch gewollt hätte, sie brachte es einfach nicht über sich, einen Priester um einen Gefallen zu bitten.
    »Tut mir wirklich leid, Frau Doktor«, sagte Mr. Mylonas und hängte auf. »Aber alle Anschlüsse sind besetzt. Bitte, das Telefon in unserem Büro steht Ihnen zur Verfügung. Vielleicht haben Sie diesmal mehr Glück.«
    Catherine vermutete, daß sie mit dem Anschluß hier mehr Glück haben würde als in einer Telefonzelle, und ging zurück in das Büro. Der Priester war nicht mehr da, und sie warf einen Blick auf den Bildschirm, um zu sehen, ob der Computer vielleicht doch schon frei war. Die Meldung wirkte jedoch eher wie Hohn:

    »Gesendet: 1200 Bytes
    voraussichtl. Sendezeit: l Std. 27 Min.«

    Während sie noch einmal versuchte, die Funkvermittlung in Cancun zu erreichen, dachte sie flüchtig daran, das Senden der E-Mail zu unterbrechen, Daniel ihre Nachricht zu übermitteln und später mit dem Priester zu reden.
    »Na los, Danno«, murmelte sie ungeduldig, preßte den Hörer ans Ohr und lauschte auf die veralteten Tele-fontöne, die um die halbe Welt gingen. »Bitte nimm endlich ab!« Sie warf wieder einen Blick auf die Uhr.
    War er bereits unterwegs zum Grab? Durch die angelehnte Tür hörte sie plötzlich lauten Beifall aus der Bar und Hungerfords unverkennbares Lachen. Warum ist er noch immer hier? Warum ist er nicht bei seinen Leuten?
    Sie dachte an Samir. Sie hatte ihn gebeten, ihr Zelt nicht aus den Augen zu lassen. Catherine wußte jedoch, daß

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