Die Prophetin
beiden warf einen Blick auf die Uhr. Sie hatten eine Stunde, um ihr Ziel auszumachen und ihrem Auftraggeber einen ersten Bericht zu erstatten.
Der Nachtwind heulte um das Zelt. Es klang, als versuchten die Dämonen der Wüste, es davonzutragen.
Catherine seufzte und blickte unruhig auf den Korb, der auf ihrem Arbeitstisch stand.
Zwölf Stunden waren vergangen, seit sie den Korb in dem unterirdischen Gang gefunden hatte. Sie wollte ihn öffnen, sobald sie sicher sein konnte, daß im Lager alle schliefen. Gott sei Dank hatte sie Daniel über Internet erreicht. Er hatte gerade noch ihre Nachricht erhalten, bevor die Batterie seines Computers völlig versagte. Eine Stunde später rief er sie aus dem Dorf in der Nähe seines Lagers an. Er sagte nur drei wundervolle Worte: ›Ich bin unterwegs!‹
Aber bis zu seiner Ankunft würde fast ein ganzer Tag vergehen. Catherines Unruhe wuchs von Minute zu Minute. Wie sollten ihre Nerven diese Spannung aushaken? Und sie hatte noch viel zu tun bis zu ihrer Flucht.
Während sie darauf wartete, den Korb ungestört öffnen zu können, nutzte sie die Zeit, das Äußere mit der Lupe zu untersuchen. Dabei schabte sie behutsam Sandkörner, winzige Insekten und getrocknete Pflanzen-teile von der Leinenumhüllung, um ihre Herkunft zu bestimmen.
Da die Grabungen bisher keine Hinweise auf eine ständige menschliche Besiedlung dieser Gegend vor dem fünften Jahrhundert erbracht hatten, mußte der Korb von einem anderen Ort hierher gebracht worden sein.
Woher?
Ein besonders heftiger Windstoß traf das Zelt. Catherine richtete sich auf und schloß kurz die Augen. Seit der Fund ans Licht gekommen war, schienen seltsame Gewalten am Werk zu sein. Gab es wirklich so etwas wie Dämonen?
Der Korb war nicht groß, nicht größer als ein Picknickkorb. Er roch nach Erde und Moder. Das Gewebe, in das er eingepackt war, zerfiel. Ein Teil der Verschnürung hatte sich bereits in Staub aufgelöst, nachdem der Hanf dem Sonnenlicht ausgesetzt worden war. Aber Catherine glaubte fest daran, daß sich der sorgfältig verpackte Inhalt noch in einem guten Zustand befand und nicht zerstört worden war. Amelia, der verehrte Priester…
Catherine erschauerte. Sie stand auf, ging zu dem Fliegenfenster und blickte über das dunkle Land. In der Ferne sah sie die Lichter von Hungerfords Lager. Er war noch immer im Hotel Isis gewesen, als sie sich auf den Rückweg gemacht hatte. Ist er vielleicht noch dort?
Im Lager brannte in zwei Zelten noch Licht. Sie hörte, daß sich einige ihrer Leute unterhielten. Catherine wollte den Korb so schnell wie möglich öffnen, aber sie konnte nicht riskieren, dabei gestört zu werden.
Sie setzte sich wieder an den Arbeitstisch, legte einen Pflanzenrest auf den Objektträger und betrachtete ihn unter dem Mikroskop. Als sie die Schärfe einstellte, erschien die senkrechte Falte zwischen ihren Augen.
Catherine war der Überzeugung, daß die Juden beim Auszug aus Ägypten Sämereien und Stecklinge mitgenommen hatten, die sie aussäten und anpflanzten, wenn sie an einem Ort längere Zeit blieben. Deshalb bestand ein Teil von Catherines Arbeit darin, bei Grabungen botanische Funde zu sammeln und zu bestimmen. Da manche Pflanzen in bestimmten Gebieten endemisch sind und in anderen nicht vorkommen, würden Spuren von Pflanzen des Niltals an alten israelitischen Tonwaren ihre Hypothese erhärten, daß Moses und Mirjam ihr Volk hier entlanggeführt hatten. Leider hatte Catherine bisher jedoch nur Pflanzen gefunden, die im südlichen Sinai wuchsen. Der Pflanzenrest unter dem Mikroskop ließ sich nicht sofort zuordnen.
Sie blätterte in einem Buch über Paläobotanik, blickte immer wieder in das Mikroskop und verglich das, was sie sah, mit den Abbildungen und Zeichnungen im Text.
Inzwischen war der Mond aufgegangen. Er warf sein silbernes Licht über die einsame Wüste. In einiger Entfernung von Catherines Lager beleuchtete er auch zwei Männer, die am Strand entlanggingen.
Nachdem sie das Boot wieder ins Wasser geschoben hatten – sie brauchten es nicht mehr, und niemand konnte es mit ihnen in Zusammenhang bringen –, streiften sie schnell die Tauchanzüge ab und kleideten sich wie Touristen in weite Leinenanzüge und geblümte Hawaiihemden. Ihre großen Nylontaschen sahen wie normales Reisegepäck aus.
Sie waren noch nicht lange in Richtung der Hotels gegangen, als sie sahen, daß ihnen jemand entgegenkam.
Vorsichtig und mißtrauisch blieben sie stehen.
Es war ein junger
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