Die Prophetin
Champagner?‹ Houston fragte: ›Wo bleibt unser Geld?‹ Das war ein alter Witz, denn jedermann wußte, daß Daniel ständig Geldsorgen hatte.
Ein durchdringender Pfeifton machte Daniel darauf aufmerksam, daß die Batterie seines Laptop aufgeladen werden mußte. Daniel nahm die Helligkeit des Bildschirms zurück und antwortete seinen Freunden: ›Danke, Leute! Heute spendiere ich den Kaviar. ‹
Er seufzte und lauschte auf den heftigen Regen draußen vor dem Grab. Der unaufhörliche Regen ließ ihn an eine Szene aus einem Film denken, in dem Wasserfluten den Helden im Dschungel von der Welt abschnit-ten. Seine Freude schwand, und er fühlte sich plötzlich niedergeschlagen.
Wie schön wäre es, wenn Cathy mit mir feiern könnte… Leider hatte er nur ihr Photo, das er an der Innenseite des Laptop-Deckels unter den Bildschirm geklebt hatte. So hatte er ihr Bild bei der Arbeit immer vor Augen.
Es war eine alte Aufnahme von der Schulabschlußfeier. Cathy lachte und hielt abwehrend die Hand vor das Objektiv der Kamera, weil sie sich für häßlich hielt, obwohl sie in Wirklichkeit eines der schönsten Mädchen der Schule gewesen war. Warum konnte sie jetzt nicht bei ihm sein? Er sah sich traurig in der modrigen Grabkammer um und dachte an den Tag, der ein Wendepunkt in seinem Leben gewesen war. Damals war er sechzehn. Er hatte sich in der Waschküche verkrochen und schluchzte verzweifelt. Aber Cathy hatte ihn gefunden. Sie umarmte ihn, drückte ihn an sich und flüsterte, es werde alles gut werden. Der Duft ihres Parfüms stieg ihm in die Nase, er spürte ihren schlanken Körper, und plötzlich wurde aus seiner besten Freundin ein Mädchen, das er heftig liebte. Catherine hatte damals nichts davon geahnt, und Daniel hatte alles getan, damit sie auch nach zwanzig Jahren nichts von seiner Liebe wußte.
Julius möchte, daß ich ihn heirate‹, hatte sie in ihrem letzten Brief geschrieben. Die Nachricht überraschte Daniel nicht, aber sie traf ihn trotzdem bis ins Mark. Einerseits wollte er, daß sie Julius heiratete, denn er war sicher, daß die beiden glücklich sein würden. Andererseits konnte er den Gedanken nicht ertragen, daß sie einem anderen Mann gehörte. Ihn würde sie bestimmt nicht heiraten. Daniel machte sich keine Illusionen über ihre Beziehung. Sie waren Freunde, vielleicht sogar Seelengefährten, aber sie würden nie ein Paar werden können. Das mußte sich Daniel jedesmal eingestehen, wenn sie zusammen waren. Er war kleiner als Catherine. Er fand sich zwar nicht gerade häßlich, aber er wußte, mit einem Mel Gibson konnte er sich nicht vergleichen. Catherine würde für ihn nie romantische Gefühle entwickeln.
Soll sie diesen Julius heiraten und ihr Glück als ›Mrs. Voss‹ finden. Es gibt Schlimmeres…
Während Daniel auf den Monitor starrte und versuchte, etwas von der Begeisterung zurückzuholen, die ihn noch vor kurzem beflügelt hatte, fiel ihm allerdings nichts ein, was schlimmer gewesen wäre.
Scharm el Scheich, Golf von Akkaba
Plötzlich wußte Catherine, wie sie Daniel erreichen konnte… Sie hatte ihm einen Sommer lang geholfen, ein Gebiet in Chiapas zu kartographieren, weil Daniel dort ein verborgenes Grab vermutete. In diesem Sommer gab es kaum Änderungen im Tagesablauf: Aufstehen vor Sonnenaufgang, zuerst viel Kaffee, danach Auswertung der Ergebnisse des Vortags und dann… Es war ihr wieder eingefallen! Daniel saß vor der Arbeit regelmäßig am Computer und informierte sich via Internet über das, was in der Welt geschah, tauschte Gedanken und Informationen mit einer Gruppe von Freunden aus und las seine E-Mail. Schnell ging Catherine zur Rezeption zurück. Nach einem Jahr kannte sie jeder im Hotel Isis. Sie erschien beinahe täglich, um Post abzuholen, und versorgte sich mit den nötigen Dingen, wenn sie keine Zeit hatte, nach Scharm el Scheich zu fahren. Gelegentlich trank sie sogar mit dem siebzigjährigen verwitweten Besitzer Tee.
»Mr. Mylonas«, sagte sie jetzt zu ihm, »ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Glauben Sie, ich kann für ein paar Minuten den Hotel-Computer benutzen? Ich bezahle Ihnen natürlich die Gebühren für die Zeit, die ich brauche, um einen Freund zu erreichen.«
»Beim heiligen Andreas!« sagte er lachend und schüttelte den Kopf. »Vor vier Jahren hat mir Papadopoulos erklärt, Mylonas, es ist Zeit, das Hotel zu modernisieren, und hat aus Athen einen Computer kommen lassen. Aber Papadopoulos weiß nicht, wie man einen Computer bedient,
Weitere Kostenlose Bücher