Die Prophetin
den Weltuntergang, weil die Kachina des Pueblo Acoma verschwunden war.
Die Polizei sprach von Diebstahl, aber der Schamane erklärte, der Kachina-Geist sei aus eigenem Entschluß in die Erde zurückgekehrt, weil das Ende der Welt bevorstand.
›Er ist Soyal, die Sonnenwend-Kachina‹, hatte Kojote gesagt. ›Soyal erscheint zur Wintersonnenwende, um den Beginn der Kachina-Zeit anzukündigen. Er kommt als der erste aus der Kiva und geht durch das Dorf.
Damit bereitet er den anderen Kachinas den Weg, damit sie aus der Geist-Welt auf die Erde zurückkehren können.‹
Kojote war in die Kiva gegangen, um die Ankunft der Kachinas zur bevorstehenden Wintersonnenwende vorzubereiten, und er hatte festgestellt, daß Soyal nicht mehr da war. »Zum ersten Mal in der Geschichte meiner Sippe wird Soyal nicht erscheinen. Deshalb können auch die anderen Kachinas nicht aus den Kivas kommen und mein Volk segnen. Das ist sehr, sehr schlimm«, sagte der Schamane, und seine Stimme klang wie das Rascheln gefallener Blätter.
Erika wollte eine Frage stellen, als sie sah, daß der Butler auf der Terrasse erschien und neben Miles trat, der nach dem Wettschwimmen mit seinen Schwiegersöhnen zufrieden aus dem Wasser stieg. Er hatte na-türlich nicht nur gewonnen, sondern wahrscheinlich auch seinen eigenen Rekord gebrochen. Lachend hielt er die Stoppuhr hoch, die ihm sein Trainer gereicht hatte. Kurz darauf folgte er dem alten Butler ins Haus.
Erikas Blick richtete sich wieder auf den heiligen Rauch. Steht der Weltuntergang wirklich bevor?
Der Anruf kam aus dem Sinai.
Während Miles zuhörte, betrachtete er sein Spiegelbild in dem Glas, hinter dem Pokale und Siegestrophäen standen. Er betrachtete sich gern und kannte keine falsche Bescheidenheit. Schließlich besaß er den Körper eines zwanzig Jahre jüngeren Mannes und arbeitete täglich daran, seine Figur zu erhalten. Ihm gefiel die Vorstellung, daß sich in der jugendlichen Erscheinung sein Reichtum, sein Geschmack und sein Verstand ebenso spiegelten wie in seiner vorbildlichen Familie und seinem unvergleichlichen Anwesen.
Einem erfolgreichen Mann, so fand Miles, sollte man den Erfolg auch ansehen.
Nachdem Zeke Bericht erstattet hatte, befahl er ihm zu warten und wählte eine andere Nummer. Der Teilnehmer meldete sich sofort.
»Ja, Mr. Havers?«
»Teddy, besorgen Sie mir alles über eine Archäologin. Die Frau heißt Dr. Catherine Alexander. Stellen Sie zusammen, was Sie finden können. Ich möchte wissen, wo sie wohnt, wer ihre Kollegen sind, ihre Bekannten, Freunde… alles. Ich brauche die Informationen schnell!«
Mit einem Knopfdruck schaltete er wieder zu Zeke zurück. »Nach meiner Meinung kann man mit dieser Archäologin kein Geschäft machen. Zu solchen Dingen ist kaum jemand aus ihrer Branche bereit. Vergessen Sie Hungerford, beschaffen Sie sich schnellstens die Schriftrollen und sorgen Sie dafür, daß Dr. Alexander nicht in der Nähe ist, um später irgendwelche Aussagen machen zu können.«
Nachdem Miles aufgelegt hatte, war er nicht in der Stimmung, zu seiner Familie zurückzukehren. Deshalb beschloß er, hinunter in sein persönliches unterirdisches Reich zu gehen. Das Untergeschoß war ganz in den beruhigenden Pastelltönen der Wüste gehalten, indirekt beleuchtet und gegen Störungen der Außenwelt schalldicht isoliert. Dort befand sich unter anderem ein Museum, in dem seine Schätze hinter Glas geschützt bei elektronisch gesteuerter gleichbleibender Temperatur und Luftfeuchtigkeit auf ihn warteten. Er hatte sogar Sensoren einbauen lassen, die vor Erdbeben warnten, und ein ausgeklügeltes Sicherheitssystem.
In einem besonderen Raum befand sich eine kleine Schaltzentrale, zu der nur er Zugang hatte. Von hier aus konnte er nicht nur das Museum, sondern das Anwesen und seine Produktionsstätten auf der ganzen Welt überwachen.
Im Grunde hatte sich Miles nicht von Anfang an mit religiösen Gegenständen beschäftigt, aber inzwischen schienen sie den Großteil seiner Sammlung auszumachen. Er hatte festgestellt, daß ein Stück, gleichgültig wie alt, wie selten oder wie kostbar, einen unschätzbaren Wert erhielt, wenn es von religiöser Bedeutung war. Die Menschen schienen das Unsichtbare sehr viel höher einzuschätzen als das Sichtbare.
Miles mußte in diesem Zusammenhang an Erika denken, die in letzter Zeit auf spirituellem Gebiet nach Antworten suchte. Sie war übrigens nicht die einzige. Die Medien berichteten Tag für Tag über religiöse
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