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Die Prophetin

Die Prophetin

Titel: Die Prophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wood
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Wahnvorstellungen und unerklärbare religiöse Phänomene – Marien-Erscheinungen, Statuen, die Tränen vergossen, das Gesicht Jesu auf dem Tor einer Garage. Das Grabtuch von Turin wurde in diesem Jahr öffentlich gezeigt, und die Besucherzahlen brachen alle Rekorde. Viele Menschen schworen, daß die Augen des Gesichts auf dem Tuch, die bislang geschlossen waren, jetzt offenstanden. In England mußte das Militär eingreifen, um die Menschenmassen unter Kontrolle zu bringen, die mit Zelten und Wohnwagen nach Stonehenge pilgerten, um dort den Katastrophen zu entgehen, die mit der Jahrtausendwende erwartet wurden.
    Die ganze Welt schien im Fieber zu liegen, und das gefiel Miles, denn mit diesem Wahn ließen sich riesige Gewinne machen – vor allem deshalb, weil es ein religiöser Wahn war. Miles ging zielstrebig durch das langgestreckte Museum zu einem Kabinett an der Stirnseite, in dem sein neuester Zugang aufbewahrt wurde. Niemand, nicht einmal Erika, wußte von diesem Stück. Und Miles war besonders stolz darauf. Die aus Pappelholz geschnitzte Statuette war sechzig Zentimeter groß und gespenstisch weiß bemalt. In der linken Hand trug sie eine Adlerfeder, und aus dem geisterhaften Kopf ragte ein weißer Federbusch.
    Miles betrachtete die Gestalt voller Ehrfurcht. Es war die Sonnenwend-Kachina. Man sagte, diese Statuette sei die kostbarste und heiligste aller Pueblo-Kachinas.
    Soyal gehörte jetzt ihm.

    Scharm el Scheich, Golf von Akkaba

    »Was soll denn das bedeuten?« fragte Zekes Partner. Zeke gab keine Antwort, sondern hielt den Leihwagen in der Nähe des Lagers an. Im Licht der Scheinwerfer sahen sie am Rand der Ausgrabungen eine aufgeregte Menschenmenge. Die beiden Amerikaner sprangen aus dem Wagen und mischten sich unter die lärmenden Ägypter. Zeke sah nur wenige Weiße in der Menge. Das waren vermutlich Leute aus dem Lager von Dr.
    Alexander, vielleicht auch ein paar Touristen, die von den Hotels herübergekommen waren und das Spektakel eher unbeteiligt beobachteten.
    Zeke entdeckte einen westlich gekleideten Ägypter, der eine Beduinin mit sich zerrte, die wie üblich von Kopf bis Fuß schwarz verhüllt war. Der Mann schrie auf die Frau ein, während die Umstehenden lachten, johlten oder auch drohend schimpften.
    Zeke versuchte, sich einen Weg durch die Menschen zur anderen Seite zu bahnen, wo sich das Lager der Archäologin befand, aber er kam nicht weit. Er fluchte leise. Diese Verzögerung gefiel ihm nicht. Im Hotel hatte er das Schild ›Bitte nicht stören‹ an die Zimmertür gehängt, um sicherzustellen, daß die Putzfrauen Hungerfords Leiche erst am nächsten Morgen in der Badewanne entdeckten. Aber das Schild war keine Garantie dafür, daß nicht doch jemand aus irgendeinem Grund das Zimmer früher betrat. Vielleicht hatte man den Toten schon gefunden…
    »Was ist denn hier los?« fragte er einen Zuschauer, der Amerikaner zu sein schien.
    »Der Mann ist ihr Bruder«, erwiderte der Angesprochene. »Er sagt, seine Schwester habe Schande über die Familie gebracht.« Zeke musterte die Frau, die sich heftig gegen ihren Bruder wehrte. Das schwarze Gewand bauschte sich um ihren Leib und verhüllte alles, bis auf die Augen. Als es ihr schließlich gelang, sich aus dem Griff des Mannes zu befreien, sah Zeke, daß die Frau schwanger war.
    Plötzlich drängte sich ein Weißer durch die Menge und erhob laut Einspruch gegen die brutale Behandlung der Frau. Nach seiner Kleidung zu urteilen, schien es ein Priester zu sein. Ein Teil der Leute stimmte ihm zu, während die anderen noch lauter schrien.
    »Das geht Sie nichts an!« rief der Bruder der Frau. Die Umstehenden johlten.
    Zeke fragte sich, ob vielleicht auch Dr. Alexander unter den Zuschauern war. Im Schein der wenigen Lampen konnte er nicht alle Gesichter sehen. Er wußte aber, wo sich ihr Zelt befand. Ein Blick beruhigte ihn. In dem Zelt brannte Licht. Die Menge bewegte sich langsam weiter und entfernte sich vom Lager. Schließlich gelang es Zeke, an den Menschen vorbeizukommen, die der schwangeren Frau und ihrem wütenden Bruder folgten.
    Zeke ging eilig durch das Lager und erreichte das Zelt der Archäologin. Sein Partner war beinahe gleichzeitig zur Stelle. Ohne ein Wort zu wechseln, verschwanden ihre Hände in den Jacken und umfaßten die Griffe ihrer Waffen. Zeke vergewisserte sich noch einmal, daß die Menge nur Augen für die Familientragödie hatte. Plötzlich stürzte die Frau zu Boden. Als sie mühsam wieder aufstand, verrutschte das

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