Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
Edmund folgte mir.
»Ihr seid eingeladen, der Hochzeit beizuwohnen, doch über diese Angelegenheit werden wir kein Wort mehr verlieren«, erklärte Edmund, und wir gingen zusammen hinaus.
Auf der Straße sagte ich: »Jetzt ist mir alles klar.«
Edmund antwortete nicht. Ich sah ihm an, wie belastend das alles für ihn war – die Erwartungen und Forderungen von Familie und Freunden. Als Ordensbruder hatte ihn das Lärmen der Welt nie berührt, doch jetzt bedrängte es ihn von allen Seiten. Wenn ich nun den Vorschlag machte, nicht zu heiraten, was würde er antworten? Im Inneren fürchtete ich, er sei ein Mensch, der für ein einsames Leben geschaffen war. Sich in diese neue Rolle hineinzufinden kostete ihn große Anstrengung. Ich fühlte mich schuldig.
Doch als Edmund mich beim Abschied auf die Lippen küsste, sagte er: »Ich liebe dich, Joanna«, und alle meine Zweifel legten sich. Wenn wir erst verheiratet waren und all diese Menschen uns in Ruhe ließen, würde unser wahres gemeinsames Leben beginnen.
So unerfreulich das Gespräch mit Edmunds Bruder gewesen war, ich hatte noch eins vor mir. Ich machte mich auf den Weg, um mit Jacquard zu sprechen.
»Bitte verreist einige Zeit. Wenn Ihr hier in Dartford bleibt, würde es sich merkwürdig ausnehmen, wenn Ihr nicht zu unserer Hochzeit kämet. Es wäre mir aber lieber, Ihr würdet ihr fernbleiben.«
Der Gedanke, unter unseren Gästen einen Spitzel zu wissen, der ganz kühl über Edmunds »Beseitigung« nachgedacht hatte, war mir unerträglich.
Jacquard schien nicht im Geringsten gekränkt. Er verneigte sich nur lächelnd. »Ich werde wohl nach London müssen«, sagte er.
Den Abend vor meiner Hochzeit verbrachte ich im Kreis von Frauen. Arthur übernachtete bei seinen Cousins und Cousinen in Mr Hancocks Herrenhaus. Ursula hatte mir ein wunderschönes blassgoldenes Kleid mitgebracht – »Wir wissen alle, dass Ihr für die Mode nichts übrig habt, doch dies ist Eure Hochzeit« – und legte zusammen mit Kitty noch letzte Hand an, bevor sie den Kranz richteten, den ich auf meinem schwarzen Haar tragen sollte. Ich hatte das Gefühl, als geschähe das alles einer anderen Joanna und ich selbst beobachtete nur aus der Ferne.
Während sie ein paar Blättchen von einer Blume für den Kranz entfernte, sagte Ursula: »Ihr solltet uns Arthur nach Stafford Castle mitnehmen lassen.«
»Was – zu einem Besuch?«, fragte ich erstaunt.
»Er kann bei Henry und mir aufwachsen. Wir könnten ihn zu unserem amtlichen Mündel erklären lassen. Euer Vater hätte Euch diese Belastung nicht zumuten sollen, Joanna. Ich weiß nicht, warum er das getan hat. Wir sollten die Verantwortung für Margarets Sohn übernehmen. Ihr solltet Euch ganz Eurem zukünftigen Mann widmen und den Kindern, die Ihr beide sicher bekommen werdet.«
»Ich habe es versprochen«, murmelte ich. »Ich kann dieses Versprechen nicht brechen.«
Vielleicht weil Ursula von Margaret gesprochen hatte, suchte sie mich in dieser Nacht im Traum auf. Wir waren wieder zu Hause, und sie hatte ein Geheimnis. Sie drückte einen Finger aufden Mund, als wollte sie mich ermahnen zu schweigen. Zugleich jedoch lächelte sie. Es war ein seltsamer Traum, denn die ganze Zeit wusste ich, dass Margaret tot war und ich sie gar nicht sehen konnte. Doch ich war glücklich, sie lebend bei mir zu haben, in unserem geheimen Versteck auf Stafford Castle, einem Zimmer im ältesten Flügel des Hauses, den nie jemand aufsuchte. Wir waren keine Kinder mehr, doch wir redeten über die Dinge, die wir als Kinder geliebt hatten: die Geschichten von König Arthur und Guinevere und von den Heiligen, den römischen Jungfrauen, die für ihren christlichen Glauben gestorben waren. In meinem Traum wussten wir, dass uns nichts Schlimmes widerfahren konnte.
An meinem Hochzeitstag schien die Sonne nicht, doch es regnete auch nicht. Nervosität und Aufregung trieben mich früh aus dem Bett. Ich hatte nie gern im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestanden. Etwas später kam Ursula, um mich anzukleiden und mir die Haare zu flechten, wobei sie ab und zu einen Schluck Apfelmost trank und Gebäck knabberte. Ich selbst brachte keinen Bissen hinunter, was die anderen mit Lächeln bemerkten.
Mit dem Glockenschlag verließ ich mein Haus. Mein Cousin Henry Stafford bot mir den Arm, und wir schritten über die High Street. Es waren noch mehr Schaulustige da als zu Agathas Hochzeit. Sicher nicht aus Zuneigung zu mir, vermutete ich, sondern aus Neugier über die
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