Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
Dienstmädchen stand am Fenster. Sie hatte das Gespräch belauscht.
»Geh und sag ihm die Zeit«, wies ich sie an.
Nelly lief zur Hintertür hinaus, von der ein Weg durch einen Garten zur Straße führte. Sie war ein hübsches, rundliches kleines Ding – sie erinnerte mich ein wenig an Catherine Howard –und hatte im Gegensatz zu anderen fünfzehnjährigen Mädchen keine Angst, sich allein auf Londons Straßen zu wagen. Der Bezirk nördlich der St. Paul’s Cathedral war nicht der übelste in der Stadt, doch vornehm war er auch nicht gerade. Niemand würde es verwunderlich finden, dass ein junges Ehepaar mit bescheidenem Einkommen in dieser Gegend Wohnung nahm. Das Häuschen in der St. Paul’s Row war mit Bedacht gewählt worden.
Die nächsten fünf Stunden tat ich keinen Schritt aus dem Haus, obwohl es heiß und stickig war. Es war der wärmste Juli, an den ich mich erinnern konnte. Hätte ich auf dem Land gelebt oder in Dartford oder näher der Themse, so hätte sich vielleicht ab und zu ein Lüftchen durch ein geöffnetes Fenster gestohlen. Doch hier, mitten in der dicht bevölkerten, fast immer stinkenden Stadt, gab es keine Erleichterung. Dennoch ging ich selten aus dem Haus. Es bestand zwar kaum Gefahr, dass ich in dieser Gegend erkannt werden würde, doch wir konnten nicht vorsichtig genug sein.
Endlich schlug es drei. Ich lehnte am Tisch und starrte auf den Krug mit Kräuterbier. Nelly hatte Becher und Teller herausgestellt, alle neu, ohne den geringsten Makel, wie man das vom Geschirr einer frischgebackenen jungen Ehefrau erwarten konnte.
Als es draußen zaghaft klopfte, öffnete Nelly die Tür und führte Mrs Griswold mit ihrem Teller Marzipan ins Zimmer. Ich bemerkte sehr wohl die verstohlenen Blicke, mit denen meine Nachbarin die Gegenstände und Möbel im Zimmer musterte, auch wenn sie sich bemühte, ihre Neugier nicht zu zeigen.
Nelly schenkte gerade das Kräuterbier ein, als draußen krachend die Haustür aufflog.
»Ich bin wieder da, mein Schatz«, rief Jacquard aus dem Vorderzimmer.
Als er um die Ecke bog, blieb er beim Anblick von Mrs Griswold einen Moment erstaunt stehen. Dann machte er seine höfischste Verbeugung. Die Hitze schien ihm nichts anhaben zu können. Seine Kleider waren frisch; sein Haar war trocken.
»Das ist mein Mann«, sagte ich und machte sie mit Jacquard bekannt.
Er setzte sein gewinnendstes Lächeln auf, das die erwartete Wirkung nicht verfehlte. Nervös erklärte Mrs Griswold, sie habe von Mr Rolins Vorliebe für Marzipan gehört.
Jacquard setzte sich und verzehrte ein Stück mit offensichtlichem Vergnügen. Er konnte sich gar nicht genugtun, sie zu loben. »Das ist das beste Marzipan, das ich gekostet habe, seit ich hier in England bin«, versicherte er.
»Ach ja, Ihr kommt aus Brüssel, wie ich hörte?«, fragte sie, voll Eifer, mehr über ihn zu erfahren.
»Ich habe die Niederlande verlassen, als mir die Wahrheit des Evangeliums offenbar wurde«, sagte Jacquard. »Jetzt muss ich zurückkehren, denn mein Vater ist krank und braucht mich. Aber ich nehme eine englische Ehefrau mit.«
Er stand auf, kam zu mir und legte mir seine Hände um die Taille, bevor er sich zu mir hinunterneigte und mich auf den Mund küsste. Ich musste mich zusammennehmen, um nicht zurückzuzucken.
»Ach, wie reizend«, sagte Mrs Griswold und senkte züchtig den Blick, interessiert, aber auch ein wenig verlegen. »Ja, Ihr gebt wirklich ein schönes Paar ab.«
»Meine Catherine ist die schönste Frau der Welt«, sagte Jacquard und drückte zum Abschluss meine Schulter.
Mrs Griswold fächelte hastig ihr Gesicht. »Ich hoffe, wir sehen Euch in der Kirche, bevor Ihr aus London abreist«, sagte sie. »Alle hier sind sehr neugierig auf Euch, Mr Rolin.«
»Ja, ich komme gern«, versicherte Jacquard mit seinem dunkel glühenden samtbraunen Blick.
Als Mrs Griswold einige Minuten später gegangen war, setzte sich Jacquard und trank einen vollen Becher Kräuterbier. »Das habt Ihr gut gemacht«, sagte er, sich den Mund wischend. »Jetzt wird die größte Klatschbase in der St. Paul’s Row allen ihren Freundinnen von uns erzählen. Sollte jemand Fragen stellen, wenn wir weg sind, so kann sie eine vortreffliche Beschreibung von einer netten braunhaarigen Frau aus Derbyshire liefern, die mit einem Mann aus Brüssel verheiratet ist.«
Während er sprach, zupfte ich an einer Strähne der kastanienbraunen Perücke, unter der ich mein auffallendes pechschwarzes Haar verbarg.
»Ich habe Neuigkeiten
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