Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
Haus.
Sobald ich mich näherte, traten sie mir in den Weg.
»Fort mit Euch«, sagte einer. Ein zweiter drohte mir mit seinem Knüppel.
»Ich muss mit ihm sprechen«, erklärte ich und wies auf das Haus hinter ihnen.
Plötzlich erschien wie aus dem Nichts ein vierter Mann. Er war älter als die anderen, seine Haut war dunkler, sein Blick wachsam.
»Weg mit den Knüppeln«, befahl er den Wächtern, und sie gehorchten augenblicklich.
Dann trat er näher zu mir. »Vergebt die Unhöflichkeit«, sagte er, und jetzt hörte ich deutlich den fremdartigen Akzent, »aber wir hatten es hier mit einigen Störenfrieden zu tun, die Drohungen ausgestoßen und sogar mit Gegenständen geworfen haben.« Er wies die Straße hinunter in Richtung Whitehall. »Das haben wir dem König zu verdanken. Er hat ja heute mit Nachdruck seine Stärke demonstriert, einzig für unseren Herrn, der diesem Aufmarsch allerdings nicht beigewohnt hat. Es wäre zu gefährlich gewesen.«
»Ja, das glaube ich auch«, stimmte ich zu.
Der Mann musterte mich – mein reisemüdes Gewand, die Reisetasche in meiner Hand und, schließlich, mein Gesicht, das so dunkel getönt war wie seins, und meine schwarzen Haare, die sich unter der Kapuze gelöst hatten.
»Wen soll ich Botschafter Chapuys melden?«
»Sagt ihm«, bat ich, »es ist die Ausersehene, die nachkommen wird.«
FÜNFTER TEIL
Kapitel 41
Es ist gar nicht so schwer, sich für jemand anderen auszugeben. Mir jedenfalls fiel es nicht schwer.
Drei Monate nachdem ich zugestimmt hatte, mich in den Dienst des Kaisers zu stellen, wurde mir eine Aufgabe erteilt, die nicht ganz einfach war. Sie erforderte Fingerspitzengefühl und Verstellung und Geschick darin, andere zu gängeln, ohne dass sie es merkten. Jacquard, der in dieser Kunst Meister war, fand, ich wäre für eine solche Aufgabe bereit, und ich fand es auch. So kam es, dass ich an einem sehr heißen Julitag auf einer Londoner Straße stand und über Marzipan schwatzte.
Meine neue Nachbarin, eine gewisse Mrs Griswold, neigte sich mir in der St. Paul’s Row vertraulich zu. »Ihr dürft bei der Herstellung nicht an Rosenwasser sparen«, sagte sie. »Die meisten Leute sorgen sich um die Qualität der Mandeln, aber den besonderen Geschmack gibt ihm das Rosenwasser.«
»Darauf kommt es an?«, fragte ich. »Ach, ich wollte, ich könnte meinem Mann ein so köstliches Marzipan zubereiten. Er isst es von allen Süßigkeiten am liebsten.«
»Ich könnte Euch das Rezept aufschreiben lassen«, meinte Mrs Griswold zögernd.
»Oh, nein«, sagte ich. »Das würde ich niemals von Euch verlangen. Schon gar nicht, wenn es ein Geheimnis ist.«
Nicht drängen , hatte Jacquard mich ermahnt. Niemals besonderes Interesse zeigen .
Ein Reiter trabte die schmale Straße hinunter, und wir wichen aus.
Mrs Griswold warf einen Blick zu ihrem Haus; gleich würde siesich von mir verabschieden, ohne dass ich bekommen hatte, was ich haben wollte.
»Ich könnte mir natürlich eine gute Vorstellung machen, wenn ich ein Stück von Eurem Marzipan kosten könnte«, sagte ich. »Dürfte ich Euch um eine kleine Kostprobe bitten, wenn Ihr es das nächste Mal zubereitet?«
Mrs Griswold lachte erfreut. »Gerade heute mache ich welches. Ich bringe Euch am Nachmittag gern etwas davon vorbei.«
»Nein, nein, danke, das ist zu viel«, wehrte ich ab und fürchtete, sie würde mich beim Wort nehmen.
»Betrachtet es als Hochzeitsgeschenk.« Sie tätschelte mir die Wange. »Ich würde zu gern einmal Euren Mann kennenlernen. Keiner hier in der Straße hat ihn bisher gesehen, und Ihr wohnt nun schon länger als einen Monat in der St. Paul’s Row.«
»Er hat mit seinem Geschäft so viel zu tun«, erklärte ich mit geheuchelter Wehmütigkeit.
»Oh, ich weiß noch, wie es ist, wenn man jung verheiratet ist.« Mrs Griswold lachte mitfühlend, und ich spürte den ersten Anflug von Reue über meine Falschheit.
Die Nachbarin wandte sich um, ihrem Fachwerkhaus zu, das meinem gegenüber auf der anderen Straßenseite stand. Erst da fiel es mir wieder ein. Wie töricht von mir. Ihr müsst eine feste Zeit vereinbaren , hatte Jacquard mehr als einmal betont.
»Mrs Griswold, wartet«, rief ich laut, um trotz des Getöses auf der Straße gehört zu werden. »Wann darf ich Euch erwarten? Ich möchte Euch gern einen Becher Kräuterbier anbieten.«
»Das ist sehr freundlich, danke«, sagte sie. »Wenn es drei schlägt?«
»Gut.« Ich eilte die Treppe zu meinem schmalen Häuschen hinauf. Nelly, das
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