Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
angefertigt. Er wurde bereits nach England geschickt. Wenn nötig, wird jemand anders die Aufgabe ausführen, die durch die Prophezeiung vorgegeben ist.«
Ich sah ihn entgeistert an. »Jemand anders?«
»Wir haben schon Ersatz zur Hand«, sagte er. »Die betreffende Person wird nicht erfahren, was der Kelch enthält. Sie muss nur wissen, dass er unbedingt mit Wein gefüllt und seiner Majestät gereicht werden muss. Es handelt sich um eine sehr willige Person – zu unser aller Freude nach diesen endlosen Schwierigkeiten mit Euch.«
Ich war fassungslos. »Aber die Prophezeiung verlangt doch ausdrücklich, dass meine Hand den Kelch berührt.«
Er verzog das Gesicht. »Ja, das ist eine Schwäche dieses Ersatzplans. Deshalb wäre es vorzuziehen, dass Ihr selbst die von der Prophezeiung vorgesehene Rolle übernehmt.« Er beugte sich zu mir hinunter. »Glaubt ja nicht, dass man Eure beständige Weigerung mit Nachsicht aufnehmen wird.«
Ich blickte in Jacquards samtbraune Augen und verabschiedete mich innerlich von der Hoffnung, die ich bis dahin genährt hatte, dass der Mordplan verworfen und mir mein Leben wiedergegeben würde.
»Wenn der Kaiser nach Gent kommt«, sagte Jacquard, »wird er nicht nur die Edlen seines Reichs und seine Minister mitbringen, sondern auch seine Inquisitoren. Sie werden Nostradamus in Gewahrsam nehmen – er wird beinahe mit Sicherheit auf demScheiterhaufen enden –, und danach werden sie sich mit dem Fall Joanna Stafford befassen.«
Ich fuhr zurück. »Was habe ich denn getan? Was hat Nostradamus getan? Er ist ein guter Katholik.«
»Ach, tut doch nicht so«, sagte er. »Ihr habt beide Zauberei und Nekromantie betrieben. Das sind Verbrechen, die von der Inquisition verfolgt werden.«
Ich sprang auf. »Das ist alles auf Veranlassung des Kaisers und seines Vertreters, Botschafter Chapuys, geschehen«, schrie ich außer mir.
»Tatsächlich? Und wie wollt Ihr das beweisen? Habt Ihr vielleicht Schriftstücke?«
»Chapuys kann Euch nicht befohlen haben, mich der Inquisition zu übergeben«, rief ich. »Das ist ganz ausgeschlossen.«
Jacquard hielt den Brief hoch. »Wollt Ihr ihn lesen? Ich müsste Euch den Schlüssel geben, um ihn zu dechiffrieren, aber das tue ich gern, wenn es notwendig ist.«
Die Wahrheit traf mich wie ein gewaltiger Schlag. Jacquard brauchte nichts zu entschlüsseln. Chapuys hatte mich verraten.
»Wenn Ihr mich begleitet, braucht Ihr die Inquisition nicht zu fürchten«, drängte Jacquard. »Ihr werdet es nicht glauben, aber ich möchte Euch nicht brennen sehen, Joanna Stafford. Ich habe Menschen auf dem Scheiterhaufen gesehen.«
»Ich auch«, stieß ich hervor, erneut überwältigt von der schrecklichen Erinnerung an Margarets Tod in den Flammen von Smithfield. Und jetzt sollte ich ihr nachfolgen? Bevor ich etwas dagegen tun konnte, begann ich laut zu lachen, doch es war ein Lachen des Wahnsinns und der Verzweiflung.
Hastig versuchte ich, mich zu beruhigen, indem ich mehrmals tief Luft holte. Schließlich blickte ich Jacquard fest in die Augen. »Ist das das Schlimmste, was Ihr zu melden habt?«
»Ich weiß, Ihr wünscht Euch jetzt ein Ja von mir«, sagte er. »Aber es wird noch schlimmer.«
»Schlimmer als der Scheiterhaufen?«, fragte ich bitter. »Wie soll das noch möglich sein?«
»Weil nicht Euer eigenes Schicksal auf dem Spiel steht, sondern das eines Menschen, der Euch teuer ist«, antwortete Jacquard. »Wenn Ihr nicht einwilligt – und auch das Feuer der Inquisition Euch nicht dazu bewegen kann –, werden wir vielleicht einen weiteren Gast nach Gent bitten müssen.«
Ich ließ mich auf die Bank niederfallen und umklammerte ihre Kante. Er hatte recht – das war noch schlimmer. Geradeso wie Gardiner meine Angst um meinen Vater genutzt hatte, wollte Jacquard mich jetzt mit Drohungen gegen einen Menschen, den ich liebte, unter Druck setzen. Doch wer konnte das sein?
»Ihr könnt nicht Arthur meinen«, rief ich. »Eure Leute könnten ihn nicht aus Stafford Castle entführen und hierher bringen.«
»Ich spreche nicht von einem Kind«, sagte Jacquard.
Eisiges Grauen lähmte mich. Ich konnte nicht einmal mehr sprechen.
»Wir brauchen niemanden aus England zu entführen«, sagte Jacquard. »Einer unserer Leute hat auf der Liste der Anträge auf Ausreise aus England einen bekannten Namen entdeckt. Der Antrag wurde genehmigt, und diese Person, die nach unglücklichen Ereignissen in Dartford England unbedingt verlassen wollte, befindet sich jetzt auf
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