Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
war nichts mehr zu hören, als Jacquard sagte: »Nichts kann mich schneller in Rage bringen als Beschimpfungen des Kaisers.«
»Der Papst hat den König von England exkommuniziert und seine Absetzung angeordnet«, gab ich zurück. »Doch Kaiser Karl fordert die Engländer nicht zum ehrenvollen Kampf, sei es zu Wasser oder zu Land. Um sich die Mühe und die Kosten zu ersparen, hetzt er einer Frau seine Handlanger auf den Hals und versucht sie zu zwingen, einen arglistigen Mord zu begehen. Das nenne ich Feigheit. Ihr verdient das Königreich England nicht. Es ist besser dran, wenn es von einem Ketzerkönig regiert wird.«
Jacquard wurde bedrohlich ruhig. »Ihr nennt mich einen Handlanger?«
»Das seid Ihr doch«, sagte ich. »Ein intriganter … verlogener … mordlustiger … Handlanger.«
Jacquards Gesicht verzerrte sich. »Du englisches Miststück.« Er zückte seinen Dolch, und im Handumdrehen lag die Klinge an meinem Hals. »Ich habe mir genug von Euch bieten lassen. Soll ich mich auch noch beleidigen lassen?«
Mit der freien Hand packte er mich vorn am Kleid. »Heute wird Euch Respekt beigebracht, Joanna Stafford. Ich hab’s auf andere Art versucht. Ich habe mich lange genug mit Euch geplagt.«
Das Messer an meiner Kehle, zerrte er mich zum Bett und stieß mich darauf. Dann warf er sich auf mich. Mit dem Ellbogendrückte er meinen Arm zur Seite und stieß mit dem Knie meine Beine auseinander. Ich versuchte, ihn zu treten, doch augenblicklich ritzte das Messer meine Haut. Der Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen.
Mit der freien Hand begann Jacquard, seine Strumpfhose herunterzuziehen. Als er seinen Körper anhob, nutzte ich die Gelegenheit und wälzte mich so rasch zur Seite, dass er nicht dazu kam, sein Messer zu gebrauchen. Er stürzte mir nach, doch als er mich zu fassen bekam, schlug ich mit aller Kraft zu. Das Messer glitt ihm aus der Hand und fiel klirrend zu Boden. Quer über das Bett geworfen, rangen wir miteinander. Er war stark, doch mir kamen Angst, Hass und Verzweiflung zu Hilfe. Ich stieß ihm mit aller Kraft das Knie zwischen die Beine. Er krümmte sich schreiend vor Schmerz.
Mit einem Sprung war ich aus dem Bett und rannte zur Tür. Jacquard kam mir nach, ich hörte ihn fluchen. Ich wusste, dass er mich töten würde, wenn er mich einholte. Es würde keine Gnade geben.
Auf dem Tisch neben der Tür blitzte das silberne Tablett. Ich packte es mit beiden Händen, riss es in die Höhe und schlug es ihm mit einer schnellen Drehung auf den Kopf.
Jacquards Augen verdrehten sich, und er glitt zu Boden.
Das Tablett fiel mir aus den zitternden Händen. Ich kniete nieder und legte meine Finger an seinen Hals. Ich spürte den klopfenden Puls. Er war bewusstlos, doch am Leben.
Als ich die Schlüssel aus seiner Tasche holte, fiel mit ihnen ein Stoffbeutel voller Münzen heraus. Auch den nahm ich an mich.
An der Tür zögerte ich. Würde Jacquard an der Kopfverletzung sterben, wenn sie nicht behandelt wurde? Ich hatte die schlimmsten Dinge erduldet, um mich nicht der Todsünde des Mordes an König Heinrich schuldig zu machen. War es nicht eine ebenso schwere Sünde, Jacquard Rolin sterben zu lassen?
Einen Moment blickte ich noch auf den leblos daliegenden Mann hinunter. Dann straffte ich die Schultern, ging aus dem Zimmer und sperrte die Tür hinter mir ab. Ein Wärter war nirgendszu sehen. Ich lief zu der Treppe, die zu den Zellen hinunterführte, und öffnete die Tür zur Zelle von Nostradamus.
Der französische Apothecarius war weit ruhiger, als ich erwartet hatte.
»Ich muss irgendwie in mein Heimatland zurück«, erklärte ich ihm. »Nach Antwerpen wage ich mich nicht, das ist die Stadt, in der Botschafter Chapuys lebt. Ich habe Jacquard Rolin verletzt, doch wenn er mit dem Leben davonkommt und sich befreien kann, wird er mir nach Antwerpen folgen.«
Nostradamus lächelte. »Frankreich. Das ist der Weg, den Ihr nehmen müsst. Ich bringe Euch nach Calais. Die Stadt gehört zu England. Liegt nicht Euer Dover direkt gegenüber auf der anderen Seite des Kanals?«
Ich war unsicher. »Werden wir denn jemals dort ankommen?«
»Es sind nicht einmal hundert Meilen.«
Meine erste Freude trübte sich, als ich mich an Jacquards Worte erinnerte: Ich möchte allerdings sehen, wie Ihr ohne meine Hilfe oder die des Botschafters nach England zurückkommen wollt. Ihr habt kein Geld, und Eure Papiere sind Fälschungen.
»Ich werde vielleicht auf ewig in Calais festsitzen«, sagte ich. »Ich habe
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