Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
bin?«
»Ich fürchte etwas ganz anderes.«
»Was denn?«, fragte ich scharf.
Er antwortete nicht. Ich sah ihm an, dass er überlegte, wie er seine Befürchtungen formulieren sollte, und fühlte mich an Gertrude Courtenay erinnert, wie sie ihre Worte abgewogen hatte, als sie mir von Maria Tudor berichtete.
»Woher wusste Schwester Beatrice eigentlich, dass Ihr als Constable nach Dartford kommen würdet?«, fragte ich.
Geoffrey sah mich erstaunt an. »Sie hat mir nach dem Margaretenfest geschrieben, und ich habe ihre Briefe beantwortet.«
»Ach so.«
»Ich hätte auch Euch nur zu gern geschrieben, Joanna. Aber Ihr habt nichts von Euch hören lassen.«
Eine unangenehme Spannung breitete sich in meiner Küche aus. Ihm zu schreiben wäre leichtfertig gewesen. Es hätte womöglich seine Hoffnungen auf mehr als Freundschaft geschürt. Ich hatte geglaubt, seine leidenschaftlichen Gefühle für mich hätten sich gelegt, da ich ihn nur einmal wiedergesehen hatte, seit er sich mir damals im Frühling im Stall des Klosters erklärt hatte.
»Auf dem Margaretenfest«, begann ich und stockte.
»Ja? Was denn?«
»Ihr habt Euch nicht – wohlgefühlt. Ich weiß nicht, warum.«
Einen Moment sah Geoffrey mich verständnislos an, dann lachte er. Nicht das unbeschwerte, herzhafte Lachen von früher. Dieses Lachen klang hart.
»Ihr habt keine Ahnung, nicht wahr, Joanna? Ich habe mich manchmal gefragt, ob Ihr es wisst – ich dachte: Unbedingt. Sie muss es merken. Sie ist doch nicht blind.«
»Was muss ich merken?«
»Welche Wirkung Ihr auf Männer ausübt. Wie sie auf Euch ansprechen, wie sie Euch ansehen. Und dann noch Beatrice dazu – Herr im Himmel! Zwei bildschöne junge Frauen, unverheiratet und vaterlos mitten im Getümmel. Die eine dunkel, die andere hell. Könnt Ihr Euch vorstellen, dass ich mich nicht wohlgefühlt habe, Joanna, weil ich fürchtete, es würde mir vielleicht nicht gelingen, Euch vor einer Menge trunkener Männer zu schützen? Zum Glück hat niemand uns belästigt. Aber ich bin überzeugt, das war einer der Gründe, warum das ganze Dorf Euch heute am liebsten im Stock sehen wollte. Bei Eurem Anblick kann man schon – den Kopf verlieren.«
»Das ist nicht wahr«, protestierte ich erregt und warf einen Blick zur Tür. Niemand sollte dieses Gespräch mit anhören. »Was Ihr da sagt, ist abscheulich. Und absurd.«
»Muss ich Euch daran erinnern, unter welchen Umständen ich Eure Bekanntschaft gemacht habe?«, fragte er.
Ich schauderte, als ich an den ekelhaften Wüstling dachte, der in Smithfield über mich hergefallen war. »Und was soll das mit den Courtenays zu tun haben?«, fragte ich spitz.
»Nichts. Aber in ihrem Haus seid Ihr nicht sicher. Jedenfalls zurzeit nicht. Nicht dass sie etwas verbrochen hätten – sie halten offensichtlich auf Sitte und Anstand. Es hat damit zu tun, wer sie sind .«
Nebenan hörte ich Arthur lachen. Er war wieder da. Ich wollte zu ihm und meinen Verwandten zurück. Ich verstand nicht, was Geoffrey mir sagen wollte.
»Ich sehe, Ihr seid um mein Wohl besorgt, Geoffrey«, entgegnete ich, »aber ich darf sagen, dass ich selten jemanden so zuverlässig gefunden habe wie Henry Courtenay. Ich weiß, dass ich ihm vertrauen kann.«
»So wie Ihr wusstet, dass Ihr Schwester Christina vertrauen könnt?«
Ich sah das Bedauern in seinem Blick, als ich vor ihm zurückwich. Der Schmerz bei der Erinnerung an die frühere Mitnovizin, die meine Freundin gewesen und dann als Mörderin entlarvtworden war, stand mir wohl unverhüllt ins Gesicht geschrieben. Er streckte die Hände nach mir aus. »Ich wollte doch nur – «
Ich schlug seine Hände weg und rannte zur Küchentür. Sie klemmte. Ich rüttelte am Knauf.
»Joanna, es tut mir leid.« Seine Stimme klang brüchig.
»Geht einfach«, sagte ich und schlug mit beiden Handballen so fest gegen die Tür, dass sie krachend aufsprang.
Alles Gespräch versiegte. Ich bemühte mich, ruhig zu erscheinen. Arthur stürmte mir entgegen, und ich fuhr ihm mit den Fingern durch das feine zerzauste Haar.
»Ist alles in Ordnung, Joanna?«, fragte Gertrude. Ihr Blick glitt an mir vorbei zu Geoffrey.
»Ja, ja.« Meiner Stimme war nichts mehr von meiner Erregung anzuhören. »Ich wollte Euch sagen, dass ich Eure freundliche Einladung gern annehmen möchte.«
Die Courtenays waren hocherfreut. Arthur machte Luftsprünge. Sofort wurden die Bediensteten angewiesen, mit dem Packen zu beginnen. Gertrude wollte keinen Tag warten.
Schwester Beatrice
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