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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Bilyeau
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leidgetan, vom Tod Eurer Gemahlin zu hören«, sagte ich und bedauerte, wie steif meine Worte klangen. Es war sicher nicht der passendste Zeitpunkt für diese Beileidsbezeigung, aber besser jetzt als in einem festlich geschmückten Saal voll Speise und Trank.
    Er dankte mir gleichermaßen förmlich. »Ich kann Euch nicht sagen, wie sehr mich die Nachricht vom Tod Eures Herrn Vaters erschüttert hat«, sagte er. »Ich habe ihn mein Leben lang gekannt und nie anders als lauter und großzügig erlebt.«
    »Wir haben beide Menschen verloren, die wir geliebt haben«, sagte ich, als wir uns der Tür zum Rittersaal näherten.
    Er erwiderte nichts darauf. Meine Bemerkung schien ihm so unangenehm zu sein wie zuvor Henrys aufmunternder Zuspruch.Ich besaß einfach kein Talent dafür, andere mit leichtem Gespräch zu unterhalten. Ich hätte den Tod seiner Frau gar nicht ansprechen sollen. Die Courtenays, die hinter uns gingen, lachten über irgendeinen Scherz. Mir fiel nichts mehr ein, was ich hätte sagen können, so krampfhaft ich auch nach Worten suchte.
    Im festlich prangenden Saal erwarteten uns zwei weitere Gäste: Sir Edward Neville, ein stattlicher Mann mit einem herzlichen Lächeln, und Lord Montagues Schwägerin, Lady Constance Pole. Sie war etwas älter als ich, blond und mit einer Haut wie Milch und Blut, ganz wie man das bei einer Engländerin erwartete.
    »Oh, diese silberne Pracht«, rief sie. »Ist das die neue Tracht der Nonnen?«
    Mein Gesicht brannte. Gertrude erklärte hastig, dass das Kleid ein Geschenk von ihr war.
    »Es muss schön sein, solche Freunde zu haben – Ihr seid wahrhaftig ein Glückskind«, sagte Lady Pole und hob ihren Becher mit Wein. Ihre Fingernägel, sah ich, waren abgekaut bis auf die Haut.
    Ihre Worte hatten einen Unterton, den ich nicht verstand – und der mir nicht gefiel. Ich erinnerte mich, dass ihr Mann im Tower eingesperrt war. Das war bitter; ich wusste es nur zu gut. Ohne etwas zu sagen, schaute ich mich nach Lord Montague um, der sich während des kurzen Austauschs von uns entfernt hatte, um den Wandschmuck und die Kunstwerke im Saal zu betrachten.
    Alle anderen begaben sich dorthin, wo ich am allerwenigsten sein wollte: zu dem imposanten offenen Kamin. Ich blieb allein zurück. Gertrude winkte mir. Ich tat, als bemerkte ich es nicht.
    »Montague, geht und holt Joanna her«, rief Henry gutgelaunt.
    Mir blieb nichts anderes übrig, als meine Hand auf den dargebotenen Arm zu legen und Montague zu folgen. Sei nicht albern, sagte ich mir, um Ungezwungenheit bemüht.
    Ich holte einmal tief Atem, dann richtete ich den Blick auf den Kamin und die steinernen Löwen, die über ihm kauerten.
    Ein schreckliches Grauen überfiel mich.
    »Was ist Euch?«, fragte Lord Montague.
    »Es tut mir leid, es tut mir leid«, stammelte ich und schloss die Augen.
    Er zog mich ein wenig zur Seite, sodass ich mit dem Rücken zum Rest der Gruppe stand. »Habt Ihr Angst?«, fragte er leise.
    »Ja«, antwortete ich und öffnete die Augen. »Woher wisst Ihr das?«
    »Weil es auch mir nicht ganz leichtfällt, hier zu sein«, sagte er. In seinen großen dunklen Augen spiegelte sich eine Traurigkeit, die zu meinen Empfindungen passte.
    »Seht Ihr auch die Erscheinungen?«, fragte ich unwillkürlich.
    Er sah mich erstaunt an. »Erscheinungen? Welcher Art?«
    Stockend berichtete ich ihm, was ich bei meinen zwei Besuchen in diesem Saal gesehen und gehört hatte. Ich erzählte von dem Knaben, der wie ein Geistlicher gekleidet war, und von dem erschreckenden Riesen; von dem spottenden Gelächter um mich herum.
    Er zog mich noch weiter von den anderen weg. »Joanna, das sind keine Erscheinungen – das sind Erinnerungen. Ihr wart als kleines Kind hier, in diesem Saal. Ihr wart vielleicht sechs Jahre alt. Weihnachten. Buckingham gab damals ein großes Fest.«
    »Wieso sollte mein Onkel hier, im Haus der Courtenays, ein Fest geben?«
    Lord Montague schüttelte wie ungläubig den Kopf. »Weil es damals nicht den Courtenays gehörte. Es war der Stadtpalast des Herzogs von Buckingham. Nach seiner Hinrichtung hat der König es Henry geschenkt. Um Himmels willen, haben Henry und Gertrude Euch das nicht gesagt?«
    Ich war sprachlos, von Gefühlen überwältigt.
    »Buckingham«, fuhr Lord Montague fort, »liebte es, Weihnachtsfeste nach alter Tradition auszurichten. Dazu gehörte es, dass ein Knabe als Bischof eingekleidet wurde und den Segen erteilte und dass man einen Riesen anwarb, der Glück bringen sollte.«
    »Und

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